Fettes Brot: „Die Uhren auf dem Mars ticken anders“

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Fettes Brot: „Die Uhren auf dem Mars ticken anders“

Die drei Nordlichter von Fettes Brot veröffentlichen heute ihr Album "Teenager vom Mars". Im Interview sprechen sie darüber, was ihnen in Deutschland Sorgen bereitet und warum sie trotzdem guter Dinge sind.

Die „KussKussKuss“-Hip-Hopper Fettes Brot aus Hamburg melden sich mit ihrem neuen Album „Teenager vom Mars“ zurück. Nur ein Jahr nach ihrem Album „3 is ne Party“ veröffentlichen Dokter Renz, alias Martin Vandreier (41), König Boris Lauterbach (41) und Björn „Beton“ Warns (42) am heutigen Freitag ihre Platte. Die Nachrichtenagentur spot on news hat mit den Künstlern über ihre Jugend, den neuen deutschen Hip Hop und Schlager-Musik gesprochen.

Ihr neues Album und Ihre neue Single heißen „Teenager vom Mars“. Wie Sind Sie denn auf diese verrückte Idee gekommen?

Björn Warns: Es gab zuerst die Musik. Wir fanden, dass das ein kraftvolles und energiegeladenes Instrumental ist. Dazu wollten wir eine Ansage machen, mit der wir uns selbst mal wieder einen Titel geben. Wir wollten mal wieder über uns reden und darüber, wie wir uns fühlen – als Band und als drei Typen. Die Idee fanden wir spannend, uns zu überlegen, wie es wohl wäre, wenn Außerirdische auf unseren Planeten kämen. Wie würden die sich fühlen? Was würden sie über die Menschen denken? Und wie fühlen wir uns, wenn wir uns umschauen? Was finden wir an der Menschheit verwunderlich? Uns war dann schnell klar: Die Uhren auf dem Mars ticken ganz anders. Als Marsianer fühlen wir uns hier noch wie wilde, verrückte, pubertierende und notgeile Teenager – so entstand die Single.

Fühlen Sie sich denn noch als Teenager? Immerhin machen Sie nun schon seit 23 Jahren gemeinsam Musik.

Martin Vandreier: Doch schon, aber es geht natürlich auch um die Perspektive; darum, von außen auf das Leben zu schauen, das uns umgibt und auf die Gesellschaft. Der Gag, uns selbst als Teenager zu inszenieren, gefällt uns natürlich sehr. Wie Björn schon sagt: Die Uhren ticken auf dem Mars durchaus anders.

Warns: Für mich ist es auch so, dass es manchmal Regeln und Gesetze gibt, die wirken, als hätten sie die Erwachsenen gemacht. Bei so einem Quatsch möchte ich nicht mitmachen! Zum Beispiel stört mich dieses „Das haben wir schon immer so gemacht“-Denken; vor allem in Sachen Rollenverhältnis Frau und Mann. Manche Comedians machen immer den gleichen Witz über das Frauen-Männer-Bild. In meiner Welt ist das Problem schon längst gegessen.

Ein Thema, das für Sie definitiv noch nicht gegessen ist, ist die Liebe. Auch auf dem neuen Album sind mit Songs wie „Von der Liebe“ oder „Du bist the Shit“ sehr jugendlich klingende Liebeslieder. Es geht darin um Liebeserfahrungen, die man meist in jungem Alter macht. Schöpfen Sie da aus Ihrer Vergangenheit oder passieren Ihnen solche Dinge immer noch?

Boris Lauterbach: Manchmal denkt man ja auch heute noch an Verflossene mit einer gewissen wehmütigen Romantik. Das ist nichts, was nur jungen Leuten vorbehalten ist. Bei dem Song „Von der Liebe“ habe ich das Gefühl, dass es etwas sehr aktuelles ist: das Thema, das verschiedene Lieben aus gesellschaftlichen Gründen nicht akzeptiert werden – sei es Homosexualität, Religion oder soziale Gründe. Obwohl wir mittlerweile das Jahr 2015 schreiben, gibt es solche Probleme immer noch.

Ihr neues Album klingt insgesamt positiv und fröhlich. Frühere Alben waren durchaus auch schon ernster. Was hat Sie wieder zu einer positiveren Sicht gebracht?

Vandreier: Wir haben versucht, den Schwung vom letzten Album „3 is ne Party“ mitzunehmen. Diesmal haben wir nicht erst ein Jahr verstreichen lassen, in dem wir Inspirationen sammeln. Es fiel uns leicht, Songs zu schreiben. Das haben wir zum Anlass genommen, direkt weiterzumachen. Es lief so gut, dass wir unseren ursprünglichen Plan – eine EP zu Weihnachten – über Bord geworfen haben und ein ganzes Album gemacht haben. Vielleicht ist das der Schwung, den man der Platte anhört. Ich glaube aber, wir sind auch einfach positive Typen. Unsere grundsätzliche Weltsicht ist sehr optimistisch. Wir glauben auch daran, dass Musik Menschen Energie verschaffen kann. Ich würde mich freuen, wenn unsere Platte das auch wieder schafft.

Sie sind seit 23 Jahren mit Ihrer Musik unterwegs. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis: Bleiben Sie Ihren Traditionen treu oder erfinden Sie sich immer wieder neu?

Warns: Das Geheimnis haben wir auch noch nicht ergründet. ich glaube, es hat damit zu tun, dass wir gut zusammen passen. Wir schätzen uns gegenseitig sehr und sind drei treue Typen. Das, was wir aneinander haben, ist uns viel wert. Wir pflegen das.

Lauterbach: Ein weiterer Punkt ist aber auch, dass wir das, was wir machen, mit Leidenschaft machen. Wir haben immer unheimlich viel Spaß bei der Sache. Für uns ist es nicht nur ein Job. Wir sind auch selbst Fans von neuen Bands, gehen gemeinsam auf Konzerte und spielen uns neue Entdeckungen vor. Neugierde ist ein Teil unserer Persönlichkeit. Ich glaube, diese Energie und unser Enthusiasmus übertragen sich auf die Zuhörer.

Was haben Sie denn in den vergangenen Jahren in Sachen Hip Hop Spannendes entdeckt?

Warns: Hip Hop ist in den letzten Jahren sehr vielfältig geworden. Es hat sich sogar inzwischen wieder eine gewisse Form von Underground-Rap entwickelt – und zwar auf einem sehr hohen, professionellen Level. Es gibt eine Menge Bands, die in den Startlöchern stehen und als Newcomer zu werten sind. Zum Beispiel Fatoni oder die Antilopen Gang. Es gibt aber auch noch andere Typen, von denen ich noch nie vorher gehört habe. Plötzlich bringen die ein zwei Videos raus und man denkt „Wow, das ist spannend!“

Auf Ihrem Album beziehen Sie in Songs wie „Ganz schön Low“ Position gegen Fremdenhass. Sehen Sie sich als Künstler in der Pflicht, sich zu diesem Thema zu äußern?

Lauterbach: Nicht als Künstler, sondern als Menschen!

Vandreier: Es würde uns einfach komisch vorkommen, heutzutage ein Album zu veröffentlichen, auf dem die dramatische, traurige und aufwühlende Realität nicht stattfindet. Das ist es auch, was wir in unserem Song „Alle hören jetzt Schlager“ thematisieren: dass Menschen sich zurückziehen in diese „Heile-Welt-Musik“, die suggeriert, dass alles beim Alten bleibt und einem nichts passieren kann.

Haben Sie Angst, dass Schlager-Sänger mehr Erfolg haben als Hip Hop?

Lauterbach: Wir sind nicht neidisch auf die Erfolge anderer. Wir fragen uns einfach, was mit einer Gesellschaft los ist, in der millionenfach diese seichte und sedierende Schlagermusik gekauft wird und sich keiner mehr schämt, das zuzugeben. Früher war das der Feind. Damit hätte man sich nie erwischen lassen. Das war rückwärtsgewandte, reaktionäre Musik, die mit dem modernen und aufgeklärten Gesellschaftsbild nichts zu tun hatte. Im Jahr 2015 ziehen sich plötzlich alle wieder darauf zurück und machen es sich gemütlich. Man muss sich da doch schon fragen, was mit der Gesellschaft los ist.