Feiern und gefeiert werden: Die neuen Tokio Hotel

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Feiern und gefeiert werden: Die neuen Tokio Hotel

Mit neuem Album, neuem Style und neuer sexueller Freizügigkeit wollen Tokio Hotel nach fünf Jahren Pause die Welt erneut erobern. Bei der Pressekonferenz in Berlin erklärten die Kaulitz-Brüder, warum sie nach L.A. ziehen mussten, was sie an Deutschland am meisten vermissen und wie es zu den expliziten Szenen des neuen Videos kam.

Schon vor dem Babylon-Kino stehen sie, die Fans von Tokio Hotel. Für sie waren die letzten fünf Jahre eine verdammt harte Zeit. Die Band machte Pause, Bill und Tom Kaulitz zogen gar nach L.A., um den Kult um sich zu entkommen. Ein paar glückliche Fans haben für diese Pressekonferenz Karten gewonnen. Die, die es nicht geschafft haben, stehen nun vor dem Kino und flehen Journalisten an, sie mitzunehmen.

So ist das bei Tokio Hotel seit ihrem Durchbruch mit der Single (2005). Die Fans sind Segen und Fluch zugleich: Der Erfolg der Band könnte nicht größer sein, aber ein „normales“ Leben ist für die Kaulitz-Zwillinge in Deutschland nicht mehr möglich. Deshalb wanderten sie vor vier Jahren in einer Nacht- und Nebel-Aktion nach L.A. aus. Den Kontakt zu ihren Fans wollen sie aber auch jetzt nicht einschränken, wie Bill in der Pressekonferenz klarstellt: „Das, was passiert ist, warum wir abgehauen sind, das ging über das normale Fansein hinaus. Da geht es wirklich um verrückte, abgedrehte Leute. Wir sind total dankbar für den Support unserer Fans, wir wollen uns nicht verstecken. Aber wenn wir nach Hause gehen, dann haben wir eben auch gerne unsere Ruhe.“

Ruhe gab es für Bill und Tom in L.A. trotz der neu gewonnenen Anonymität nicht unbedingt, wie Bill erzählt: „Ich habe meine Freiheit total genossen in Amerika. Wir sind extrem viel ausgegangen, waren auf Festivals und in Clubs…“ Das hört man dem neuen Album „Kings Of Suburbia“, das übrigens von Tom gemischt wurde, auch an. Es ist extrem elektronisch geworden. Synthies, Effekte und Dupstep erinnern an Skrillex, Empire Of The Sun oder Linkin Park. Dem Berliner Nachtleben kann Kalifornien aber nicht das Feuerwasser reichen. Tom: „Ich freue mich schon extrem auf das Feiern in Berlin. In L.A. nehmen die dir um zwei den Alkohol vom Tisch.“ Die Frage, welches Abenteuer sie als nächstes vorhaben, beantwortet Bill auch schnell: „Berghain! Ich war noch nie da, ich will da unbedingt hin!“

Die erotisch aufgeladenen Szenen zur neuen Single wurden allerdings nicht von der Techno-Kathedrale inspiriert, sondern von der Schlussszene in „Das Parfüm“. Bill hatte die Idee zur Kuschel-Orgie: „Ich war ursprünglich gar nicht in diese ganzen Szenen involviert. Da habe ich gesagt: ‚Ne, ne, ich will unbedingt mitmachen, ich hab auch überhaupt keine Hemmungen!'“ Ganz kalt ließ ihn die neue Erfahrung dann aber doch nicht: „Einen Tag vor dem Video war ich extrem nervös. Aber die waren alle ganz professionell, auch wenn die erste Darstellerin extrem viel Zunge benutzt hat und ich danach das ganze Gesicht voller Lippenstift und Lipgloss hatte.“ Das Video kann auch als Bekenntnis zu Bills Bisexualität gesehen werden: „Wir wollten alle Arten von Liebe dabei haben, gleichgeschlechtliche Liebe, junge und alte, dicke und dünne Menschen, wir haben alles gemischt – darum geht’s in dem Lied und daran glaube ich auch.“ Applaus aus den Fan-Rängen.

Auch mit dem Erfolgsdruck gehen Tokio Hotel mittlerweile ganz entspannt um, wie Bill erläutert: „Wenn ein Song in einem Land mal nicht so gut läuft, dann gibt es zum Glück ja noch viele andere Länder in denen er hoffentlich besser funktioniert“. Dem anstehenden Auftritt bei „Wetten, dass..?“, sehen sie genauso lässig entgegen – Tom: „Wird super, Megan Fox ist da…“ Und während das Fan-Publikum die Journalistin ausbuht, die fragt, ob sie sich ihrer Vorbildfunktion in Sachen Alkohol und Rauchen bewusst sind, lautet die Antwort: „Das ist uns Wurst.“ Selbstbewusst, professionell, entspannt, sympathisch und witzig – das ist der Eindruck, den Presse und Fans von diesem Treffen mit der Band mitnehmen. Da verschwimmt die Grenze zwischen beiden Lagern schon mal, wie das Beispiel einer Journalistin zeigt: „Eine Frage hätte ich noch: Darf ich später ein Selfie mit euch machen?“ Natürlich darf sie.