Faith No More: Zurück in die Neunziger

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Faith No More: Zurück in die Neunziger

Während andere Bands mit ihren Comebacks versuchen, dem Zeitgeist hinterherzurennen, ist es bei Faith No More schon eine Sensation, dass sie es überhaupt gemeinsam im Studio ausgehalten haben. 18 Jahre nach ihrem letzten Album veröffentlichen die Crossover-Helden nun ihr vielleicht bestes Material.

Statt Castingshows und „Promi Big Brother“ sollte man einfach mal eine Kamera in das Studio von Faith No More hängen – das würde vermutlich jede Quote sprengen. Wie nimmt eine Band, die sich so sehr hasst, dass sie sich schon einmal getrennt hat und deren Sänger sagte, man solle ihn erschießen, wenn es jemals zu einer Reunion kommen sollte, ein neues Album auf? Wie raufen die sich zusammen und entscheiden all jene Details, die so einen Song ausmachen?

Im Zweifel hat es etwas mit der übernatürlichen Macht von Musik zu tun, dass Faith No More nach 18 Jahren Funkstille wieder gemeinsam im Studio gelandet sind (ohne Erschießungskommando). Und der Musikgott scheint ihnen wohlgesonnen, das legen die Jubeltexte nahe, die derzeit überall auf dieses Album verfasst werden. Die Protagonisten mögen sich hassen, ihre Instrumente aber lieben sich. In den Neunziger gipfelte ihr wilder Crossover in dem wohl absurdesten Musikgenre der Welt, Funk Metal, und inspirierte unter anderem Kurt Cobain und seine Mannen ins Nirvana.

Crossover? Nirvana? Neunziger? Ja, Faith No More sind das totale Gegenprogramm zur musikalischen Moderne. „Sol Invictus“ klingt wie aus der Zeit gefallen und möchte so gar nichts mit elektronischen Spielereien oder sonstigen neumodischen Firlefanz zu tun haben. Oder eignet es sich den neumodischen Firlefanz nur so geschickt an, dass man ihn gar nicht bemerkt?

Man würde selbst noch nach Faith No More klingen, wenn man ein Country-Western-Album aufnehmen würde, sagte Bassist Bill Gould im Vorfeld. Da hat er Recht. Der Beat in „Motherfucker“ passt genauso ins Konzept wie das martialisch-zärtliche Piano in „Superhero“, der große melodiöse Popgedanke, der den Spannungsbogen in jedem Song hält, das Metal-liebt-Keyboard-Konzept, die Tempo-Wechsel, das Laut-Leise-Spiel, die chamäleonartige Stimme von Mike Patton und die Verweise auf all ihre Bestseller von „Angel Dust“ bis „Album Of The Year“. Diese melancholisch-wütenden Hymnen sind Stimmen aus der Vergangenheit, die immer noch was zu sagen haben.