Doris Dörrie: „Möpse wollte ich nicht promoten“

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Doris Dörrie: „Möpse wollte ich nicht promoten“

Warum finde ich keinen Partner, der zu mir passt? Auf diese Frage gibt Doris Dörrie in ihrem neuen Kinofilm "Alles inklusive" eine relativ einfache Antwort. Welche, und warum aus dem Mops in der Buchvorlage im Film eine Französische Bulldogge wurde, erklärt die Filmemacherin im Interview.

Warum will er mich nicht, obwohl ich alles für ihn tun würde? Eine Antwort auf diese kummervolle Frage vieler Immer-wieder-Singlefrauen gibt Filmemacherin Doris Dörrie (58) in ihrem neuen Streifen „Alles inklusive“, der am heutigen Donnerstag in den Kinos startet. Sehenswert ist der Film aber nicht nur wegen der präzisen Gesellschaftsstudie der Erziehungs- oder eben nicht-Erziehungsmethoden der Hippie-Eltern (Hannelore Elsner) und dem Resultat für ihre Kinder (Nadja Uhl), sondern definitiv auch wegen Axel Prahls (53) Arschbombe in roter Badehose.

Der Nachrichtenagentur spot on news hat die Münchener Filmemacherin, Filmhochschul-Dozentin und Autorin erklärt, warum sie sich so gut auskennt in All-inc-Hotels, warum „Alles inklusive“ keine Abrechnung mit der Hippie-Generation ist und warum es nichts bringt, sich in Beziehungen zu sehr zu verbiegen.

Tourist, Animateur, Chef… Was wären Sie am liebsten in einem All-inclusive-Hotel?

Doris Dörrie: Sicher nicht Animateur, weil das ein echter Knochenjob ist. Tourist schon. Ich fahre seit mehr als zehn Jahren mit meinen Studenten in All-Inc-Hotels, damit die Exkursionen nicht zu teuer werden – deshalb kenne ich mich in All-Incs sehr gut aus.

Kann man sich bei dieser Massenabfertigung entspannen?

Dörrie: Es gibt schon die Möglichkeit, sich an den Pool zu legen und in die Sonne zu schauen. Für viele Menschen ist das genau die Pause, die sie von ihrem anstrengenden Alltag brauchen. In diesen paar Tagen wollen sie nur genießen und mal nicht übers Geld nachdenken. Davor habe ich auch Respekt.

Bekommt man kein schlechtes Gewissen, wenn man die Tristesse hinter der Fassade, die Sie im Film zeigen, entdeckt?

Dörrie: Die Deutschen wollten die Sonne für so wenig Geld wie möglich und die Spanier wollten sie verkaufen. Das war der Deal und dadurch ist es zu dieser Zubetonierung der Küste gekommen.

Ist der Film eine Abrechnung mit der Hippie-Generation?

Dörrie: Nein, eine Abrechnung läge mir fern. Abrechnung bedeutet Rache. Solche Gefühle könnte ich gar nicht haben, weil ich weder Teil der Hippie-Generation noch der Generation ihrer Kinder bin. Mir geht es darum, die Komplexität zu zeigen. Jemand wie Ingrid (Hannelore Elsner) hat sicher Schuld auf sich geladen, weil sie ihre Tochter so großgezogen hat, wie es vielleicht nicht gut für das Mädchen war. Gleichzeitig hat sie aber auch Hippie-Qualitäten, die nicht schlecht sind. Immerhin ist sie diejenige, die spontan auf den afrikanischen Flüchtling reagieren kann. Es ist nicht alles schlecht.

Warum haben Sie die kurze Szene mit dem afrikanischen Flüchtling eingebaut?

Dörrie: Weil das an der spanischen Küste sehr oft passiert. Normalerweise gibt es aber keinen Kontakt zwischen Tourismus und Flucht, obwohl es parallel passiert.

Hätte Ingrids Tochter Apple (Nadja Uhl) auch geholfen?

Dörrie: Erst mal vielleicht nicht, weil sie zu viel Angst vor Vorschriften hat. Sie hat aber auch Angst vor dem Leben und der Zukunft. Das resultiert aus der Unsicherheit, die sie als Kinder empfunden hat. Der Fürsorgepflicht der Eltern sind Hippies nicht immer zuverlässig nachgekommen, weil sie ihre Kinder eher als Freunde verstanden haben. Als Reaktion auf eine faschistisch autoritäre Zeit war das wichtig, für die einzelne Person aber nicht immer richtig.

Lädt jede Generation eine neue Form der Schuld auf sich?

Dörrie: Kinder werden ihren Eltern immer etwas vorwerfen, wovon die Eltern aber dachten, dass es gut ist. So kann es sein, dass die jetzigen Kinder ihren Eltern vorwerfen werden, dass sie so sehr gefördert worden sind und so viel machen mussten.

Erziehen die Eltern jeder Generation nicht nach bestem Wissen und Gewissen?

Dörrie: Nicht unbedingt. Ich denke, Ingrid zum Beispiel hatte in dieser Zeit nicht viel Gewissen. Sie hat einfach automatisch angenommen: Wenn ich es toll finde, findet es mein Kind auch toll. Das Leben am Strand, das Meer, immer draußen sein… Da hat sie einfach zu wenig nachgedacht.

Was macht es denn für die Hippie-Kinder so schwer, ihr Leben in geordneten Bahnen laufen zu lassen?

Dörrie: „Der Boden war immer so schwankend“, haben mir viele bei meinen Recherchen erzählt. Sie wussten nie, wie es weitergeht, weil sich die Bedingungen auch tatsächlich dauernd verändert haben. Keine Klarheit und keine Verlässlichkeit mögen Kinder generell nicht. Apple hatte das Gefühl, dass sie auf ihre Mutter aufpassen muss und für ihr Glück verantwortlich ist. Das ist nicht gut. Eine ähnliche Problematik gibt es heute manchmal auch bei Alleinerziehenden. In Großfamilien verteilen sich die Verantwortlichkeiten einfach auf mehr Menschen.

Bei Apple klappt es mit den Männern nicht, bis sie auf Tim/Tina (Hinnerk Schönemann) trifft. Die beiden stören sich nicht an ihren Spleens – seine Frauenklamotten, ihr Hund. Muss man jemanden mit einer ähnlichen Freak-Stufe finden?

Dörrie: Ja, wahrscheinlich. Beide sind durch die Vergangenheit beschädigte Menschen, empfinden es auch so und erkennen im anderen ebenfalls diese Wunde. Gleichzeitig sind Sie aber auch imstande, darüber hinweg zu sehen und zu erkennen, dass da wahnsinnig viel Zärtlichkeit und Potential ist.

Für den Tierarzt und die Männer davor hat sich Apple sehr verbogen.

Dörrie: Genau und bei Tina/Tim kann sie ganz sie selbst sein, weil dieser Mensch im Gegensatz zu den bisherigen Männern in ihrem Leben auch gar nicht will, dass sie jemand anderes ist.

Tina/Tim jobbt als Fußpfleger. Auch im Kinofilm „Finsterworld“ (2013) spielt dieser Beruf eine Rolle. Was macht ihn für Filmemacher so interessant?

Dörrie: Gar nichts, es ist einfach Realität. Viele Deutsche, die da unten nicht mehr wissen, wie es weitergeht, werden Makler oder Fußpfleger. Das sind Berufe, mit denen man noch relativ einfach ein bisschen Geld verdienen kann.

Wie haben Sie denn Dr. Sigmund Freud gecastet?

Dörrie: Wir haben uns viele Hunde angeschaut und dieser hat sich sehr stark beworben: Er ist sofort zu mir gekommen, hat sich auf meinen Schoss gesetzt und mich unverwandt angeschaut. Ideal war er auch, weil er irrsinnig faul ist. Diese Tier wollte wirklich keinen Schritt alleine machen.

War die Hunderasse von Anfang an klar?

Dörrie: Im Roman war es ein Mops. Als ich dann aber angefangen habe, Möpse zu recherchieren, habe ich mitbekommen, dass ihnen absichtlich die Nase zurückgezüchtet worden ist, und dass sie deshalb so große Atemprobleme haben. Das finde ich eine Unverschämtheit und wollte es nicht promoten. Und so ist es dann eine Französische Bulldogge geworden, die diese Probleme nicht hat.