Der rechte Film zur rechten Zeit: „Wir sind jung. Wir sind stark.“

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Der rechte Film zur rechten Zeit: „Wir sind jung. Wir sind stark.“

Die jüngere deutsche Geschichte entert das Kino. Ein gelungenes Beispiel dafür ist "Wir sind jung. Wir sind stark." Der Film erzählt von den ausländerfeindlichen Ausschreitungen 1992 in Rostock.

Brandaktuell ist die Geschichte, die uns der deutsch-afghanische Regisseur Burhan Qurbani (34) aus Nordrhein-Westfalen in „Wir sind jung. Wir sind stark.“ (Kinostart: 22. Januar) erzählt. Das ist traurig und verwunderlich zugleich, denn im Mittelpunkt stehen die von Fremdenfeindlichkeit getriebenen Ereignisse rund um das „Sonnenblumenhaus“, einem Plattenbauhochhaus in Rostock-Lichtenhagen.

Dramatischer Höhepunkt: Am 24. August 1992 fliegen Molotowcocktails und stecken das Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter in Brand – obwohl sich noch viele Menschen im Gebäude befinden. Die Stimmung vor dem Haus gleicht einem Volksfest, die Zuschauer applaudieren, die Polizei zieht sich zeitweise zurück… Bilder, die um die Welt gingen.

Diese Bilder zeigt der Spielfilm, aber auch die letzten Tage vor dem Gewalt-Exzess in der verödeten Wohnsiedlung: Die Jugendlichen in der Nach-Wendezeit wissen nichts mit sich anzufangen, tagsüber langweilen sie sich, nachts randalieren sie gegen Polizei und Ausländer. Stefan (Jonas Nay, 24, „Homevideo“), der Sohn eines Lokalpolitikers (Devid Striesow, 41, „Blaubeerblau“), streift ebenfalls mit seiner Clique ziellos durch die Gegend.

Man sieht ihnen dabei zu, wie sie kleine und große Grausamkeiten untereinander austeilen, Gruppenzwang perfektionieren, die Liebe suchen, finden und verlieren, Freundschaft und Loyalität testen. Ähnlich ungewiss ist die Zukunft der vielen Vietnamesen, die im „Sonnenblumenhaus“ leben. Auch Lien (Trang Le Hong) wohnt mit ihrem Bruder und der schwangeren Schwägerin in der Siedlung. Sie glaubt, in Deutschland eine Heimat gefunden zu haben und will auch nach der Wende bleiben. Ihr Bruder plant die Rückkehr, weil ihm die wachsenden Anfeindungen zu viel Angst machen… Die allgemeine Orientierungslosigkeit mündet in dem klugen Satz: „Total frei sein, heißt total allein sein.“

Vor dem Hintergrund der Pegida-Demonstrationen wirkt der Film, dessen viele Handlungsstränge intelligent miteinander verwoben sind, gespenstisch aktuell. Trotz der Schwere des Themas braucht der fast durchgehend in Schwarz-Weiß gedrehte Streifen keinen moralischen Zeigefinger, die Bilder sprechen für sich, den Filmemachern gelingt es, die damalige Stimmung sehr konkret wiederaufleben zu lassen. „Wir sind jung. Wir sind stark.“ – Geschichte in bewegten Bilden, ein Must-see des Kinojahres.