Der Graf: „Ich werde in ein großes Loch fallen“

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Der Graf: „Ich werde in ein großes Loch fallen“

Am 12. Dezember erscheint das neue Album "Gipfelstürmer" von Unheilig. Dies wird gleichzeitig das letzte sein - denn nach 15 Jahren gab Der Graf 2014 das Ende der Band bekannt. Im Interview verrät er: "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keinen Plan."

Nach 15 Jahren neigt sich die Ära Unheilig langsam aber sicher dem Ende zu. Ihre Geschichte schließen Der Graf und seine Band mit dem Album „Gipfelstürmer“ ab, das am heutigen Freitag erscheint. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news wirft der Sänger einen Blick zurück und verrät seine Zukunftspläne.

Wann haben Sie den Entschluss gefasst, die Ära Unheilig zu beenden?

Der Graf: Nach 2011 habe ich mir erstmals die Frage gestellt, wie lange ich das noch machen kann. Ich habe mich gefragt, ob musikalisch überhaupt noch einer draufzusetzen ist. Ich habe diesen Gedanken zunächst für mich behalten und einfach mal drauflosgeschrieben. Während der Schreibphase habe ich dann gemerkt, dass ich an meine bisherige Musik tatsächlich noch anschließen kann.

An Ihrem neuen Album haben Sie drei Jahre geschrieben. Warum hat es diesmal so viel länger gedauert als bei den Vorgänger-Alben?

Der Graf: Ich wollte mich von Anfang an auf kein Veröffentlichungsdatum festlegen. Mein Ziel war es, das Beste aus dem Album herauszuholen und das hat einfach länger gedauert. Allein für das Artwork haben wir zwei Jahre gebraucht. Schließlich ändert und probiert man solange aus, bis man das bestmögliche Ergebnis erreicht hat.

In dem Song „Mein Berg“ heißt es: „Lass uns nicht zurücksehen“. Wie ist das zu verstehen?

Der Graf: Ich bin von Kind an Stotterer und mit „Mein Berg“ habe ich mich von dem stotternden Jungen verabschiedet. Wenn du mit solch einem Sprachproblem groß wirst, wächst du ohne Selbstbewusstsein auf und mit dem Gefühl, dass du was falsch machst. Mit der Musik habe ich mir Selbstbewusstsein geholt – denn wenn du auf der Bühne stehst und die Leute klatschen, weißt du, dass du was richtig machst.

Also war die Musik Ihr persönlicher Ego-Pusher…

Der Graf: Bis vor ungefähr drei Jahren. Da bin ich dann das erste Mal nicht mehr für mein Ego auf die Bühne gegangen, sondern aus Liebe zur Musik. Zuvor hatte ich den Berg immer nur erklommen, um am Gipfel Applaus zu bekommen. Als ich 2010 meine ersten Preise mit nach Hause nehmen konnte, war der Erfolg plötzlich für mich greifbar. Anstatt immer nur wie ein Besessener auf das Klatschen hinzuarbeiten, fing ich an, meine Auftritte richtig zu erleben – und dann ist auch erstmals der Gedanke gekommen, aufzuhören.

Was war der Auslöser?

Der Graf: Ich habe auf meinem Weg zur Bergspitze gemerkt, dass ich mein Leben lang da hochgerannt bin, ohne zu gucken, was links und rechts passiert. Ich wollte mir endlich Zeit für meine Familie nehmen und mich den Leuten widmen, die mich mein Leben lang begleitet haben. Heute besteige ich den Berg in Ruhe und mit einem ganz anderen Gefühl.

Stichwort: Berge. Verbringt Der Graf dort auch seine Urlaube?

Der Graf: Ich liebe Österreich. Ich fahre dort zu jeder Jahreszeit gerne hin. Diese Landschaft, Stille, Weite, Luft und Mentalität der Menschen dort – einfach toll. Da kann ich super abschalten. Auch zukünftig sind auf jeden Fall Österreich-Urlaube geplant. Nur leider kann ich meiner Familie kein konkretes Datum nennen. Bis zum endgültigen Ende von Unheilig kann jederzeit ein Auftritt dazwischenkommen. Die Verantwortung den Menschen bei Unheilig gegenüber ist einfach zu groß.

Also verschwindet Unheilig nicht von heute auf morgen von der Bildfläche…

Der Graf: Nein. Ich will die nächsten zwei Jahre noch nutzen, mich in aller Ruhe von den Menschen zu verabschieden, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Das bin ich uns allen schuldig – sowohl den Fans als auch dem gesamten Unheilig-Team. Ich möchte noch zwei Jahre ganz große Momente kreieren. Um mit etwas im Guten abschließen zu können, musst du die Möglichkeit haben, abschließen zu können.

Was war bisher Ihr verrücktestes Fan-Erlebnis?

Der Graf: Es gibt ein Mädchen, das eine Harley Davidson komplett zerlegt und daraus ein „Unheilig-Bike“ gemacht hat. Es existiert also ein Bike im Unheilig-Design, wovon ich im Laufe der letzten Jahre jedes Einzelteil unterschreiben durfte. Eine sehr coole Sache.

In Ihrem Song „Held für einen Tag“ beschreiben Sie einen Helden als jemanden, „der alles gibt“. Sehen Sie sich selbst als Held?

Der Graf: In „Held für einen Tag“ geht es darum, jeden Tag eine gute Tat zu vollbringen, sei es auch nur eine Kleinigkeit. Helden verpassen keinen entscheidenden Augenblick, wissen genau, wann sie reagieren müssen. Das ist eine Gabe, die ich auch gerne hätte. Schließlich ertappt man sich immer wieder dabei, in gewissen Momenten den Blick für das Wesentliche nicht gehabt zu haben.

Worauf freuen Sie sich in dem bevorstehenden Lebenskapitel am meisten?

Der Graf: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keinen Plan. Ich weiß nur, dass ich mich auf meine Familie freue, dass ich Zeit habe und dass ich planen kann – auch wenn ich glaube, dass das nicht einfach wird. Wenn ich nach 17 Jahren das letzte Mal von der Bühne gehe, werde ich wahrscheinlich erst einmal in ein großes Loch fallen. Da wird meine Familie mit mir durchmüssen – aber wir haben ja schon viel auf die Reihe bekommen. Ansonsten werde ich dem Leben einfach seinen Lauf lassen. Ich werde nie mehr als Künstler in der Öffentlichkeit stehen. Als Songwriter bin ich gerne weiterhin zu haben, aber ich werde auf jeden Fall nur noch im Hintergrund agieren.

Gibt es bestimmte Künstler, für die Sie gerne schreiben würden?

Der Graf: Es muss einfach passen. Ich habe beispielsweise schon für Helene Fischer geschrieben. Bei ihr habe ich direkt gemerkt, wir verstehen uns – in sie konnte ich mich hineinversetzen. Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Sind Sie nach all den Jahren immer noch aufgeregt vor Ihren Auftritten?

Der Graf: Wenn du als Künstler auf die Bühne steigst, dann weißt du, die Leute sind weit gefahren und haben stundenlang gewartet, um eine gute Zeit zu haben. Dafür bist du verantwortlich und das ist ein tierischer Druck. Das Lampenfieber ist nach wie vor da – denn du hast immer diesen Anspruch, die Menschen, die da unten stehen, glücklich zu machen.

Warum halten Sie Ihr Privatleben und Ihren Namen unter Verschluss?

Der Graf: Der Punkt ist: Ich bin Musiker. Es soll über meine Musik und nicht über mein Privatleben geredet werden. Wenn man mehr über mein Privatleben reden und meine Musik dadurch nebensächlich werden würde, wäre ich kein Musiker mehr – und das will ich nicht.