Der Graf: „Der ESC ist die Champions League der Musik“

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Der Graf: „Der ESC ist die Champions League der Musik“

Heute Abend geht es in Köln für ihn um die Erfüllung eines großen Traumes: Mit seiner Band Unheilig tritt der Graf bei "Unser Song für Dänemark" an. Gewinnt er, darf er auf die ganz große Bühne nach Kopenhagen zum Eurovision Song Contest. Mit spot on news hat der Sänger über seine Ängste zu versagen, sein Sprachproblem sowie seinen mystischen Namen gesprochen.

Wenn der Graf heute Abend in Köln beim Vorentscheid des Eurovision Song Contests (ESC) auf der Bühne steht, wird er aufgeregter sein als sonst. Für ihn ist es einer „der wichtigsten und zugleich einer der schwersten Auftritte“, wie er im Gespräch mit spot on news verriet. Er möchte sich seinen Traum verwirklichen und für Deutschland am 10. Mai in Kopenhagen an den Start gehen. Aber auch abseits des Vorentscheids sind es gerade spannende Tage für den Sänger und seine Band Unheilig. Morgen kommt zu ihrem 15-jährigen Bandjubiläum das Best-of-Album „Alles hat seine Zeit“ auf den Markt. Mit uns hat er auf die Anfänge seiner Karriere geblickt und verraten, wie er privat seine Freizeit genießt.

Wie kam es dazu, dass Sie am ESC-Vorentscheid teilnehmen?

Der Graf: Das war schon immer ein großer Kindheitstraum von mir. Ich hab den ESC früher mit der Oma und dem Käseigel zuhause geguckt. Damals gab es nur das Erste, Zweite und dritte Programm und ich hatte gerade angefangen, Musik zu machen. Das hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Es ist der größte internationale Gesangs-Contest, den es gibt. Diesen Traum will ich mir in Kopenhagen auf der Bühne erfüllen.

Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, in welcher Sprache Sie singen sollen?

Der Graf: Bei mir war die Antwort darauf eigentlich mein größtes Problem. Ich wurde 2010 und 2011 mehrmals gefragt, ob ich da mitmachen will und ich habe immer abgelehnt. Lange hatte ich die Meinung, dass bei einem internationalen Wettbewerb die Sprache Englisch Voraussetzung ist. Erst letztes Jahr ist mir bewusst geworden, dass ich das auch in der Sprache machen kann, in der ich meine Lieder singe – also Deutsch. Außerdem interessiert es mich schon, ob es außerhalb von Deutschland noch Menschen gibt, die meine Musik hören wollen. Dafür ist der ESC genau die richtige Veranstaltung.

Der ESC scheint für Sie einen großen Stellenwert zu haben.

Der Graf: Ja, klar. Das ist die Champions League der Musik. Da kannst du auf der ganz großen Bühne spielen. Wenn wir nach Kopenhagen kommen – was ja noch gar nicht feststeht – darf man nicht vergessen, dass dann 150 Millionen Menschen zusehen. Was ist das für eine Bühne? Das ist doch gigantisch! Es ist doch eine riesige Ehre, von deinem Land auserwählt worden zu sein und es dann auf dieser großen Bühne zu vertreten. Das ist der Hammer!

Der ESC ist eine kommerzielle Veranstaltung – Sie selbst haben ihre Wurzeln in der Gothic-Szene – keine Angst, den Ruf bei den Szene-Fans zu ruinieren?

Der Graf: Natürlich habe ich mir über die Auswirkungen des ESC Gedanken gemacht, aber ich kann doch da nicht rausgehen und über einen möglichen Schaden nachdenken. Letztlich sind wir die Ausnahme, die bei Wacken und bei Carmen Nebel aufgetreten ist, und die Leute kommen dennoch weiter zu unseren Konzerten. Es gibt einen Spruch: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum.“ Man soll doch gerade große Träume haben, denn das sind die Momente, die man im Leben nicht vergisst, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ich bin zu dem Schluss gekommen, wenn du dir treu bleibst und nicht plötzlich was anderes machst wie sonst, dann kann das nicht falsch sein. Ich werde ja nicht plötzlich in einem rosa Kostüm oder mit Haaren auf dem Kopf auf die Bühne gehen. Das wäre nun wirklich nicht so clever.

Sie haben gerade Ihre nicht vorhandene Haarpracht angesprochen. Gehört die Glatze zum Image oder ist das genetisch bedingt?

Der Graf: Es wächst noch was, aber nicht so viel, wie es eigentlich soll. Ich rasiere meinen Kopf, weil es mir zu blöd ist, alles nur noch von rechts nach links zu kämmen.

Unheilig hat 2010 schon am Bundesvision Songcontest teilgenommen und sogar gewonnen. Könnte das ein Vorteil sein?

Der Graf: Gute Frage! Ich würde es nicht Vorteil nennen, aber vielleicht könnte es uns helfen, die Nerven zu behalten. Das wird schon ein extrem langer Abend und beim TV bestehen 80 Prozent der Zeit nur aus Warten. Die Konzentration hochzuhalten und nicht in ein Loch zu fallen, wenn du deinen Auftritt hast, das ist es, dem wir uns stellen müssen. Das ist ein extremer Nervenakt. Du kannst auch nichts essen, weil du davon einen ganz dicken Bauch bekommst.

Sie sind also – trotz 15 Jahren Bühnenerfahrung – noch immer aufgeregt?

Der Graf: Total. Da muss man Realist sein. Dieser Vorentscheid wird einer der wichtigsten und zugleich einer der schwersten Auftritte meiner Karriere sein. Ich weiß, dass ich in dem Moment selber keinen Fehler machen darf. Wenn du dich versingst, wenn du den Text vergisst, wenn du mal stolperst oder den Einsatz verpasst, dann ist alles vorbei. Du bekommst keine zweite Chance. Die Anspannung wird dementsprechend groß sein, die Ziele sind es aber auch: Ich will den Vorentscheid gewinnen und anschließend auch den ESC. Das mag vielleicht großkotzig klingen, aber das ist einfach mein großer Traum.

Kommen wir zum Persönlichen. Warum gibt es so ein Mysterium um Sie?

Der Graf: Sie meinen Sachen wie: Der lebt im Turm, schläft mit dem Kopf nach unten und ist ganz böse (lacht)? Aber das ist doch Schwachsinn. Vor 15 Jahren habe ich den Künstlernamen „Der Graf“ gewählt und angefangen mein Äußeres mit schwarz-lackierten Fingernägeln, Brokatmantel und weißen Kontaktlinsen zu verändern.

Aber warum diese Verkleidung?

Der Graf: Das habe ich eigentlich erst vor einem Jahr herausgefunden. Ich habe einen Bericht über stotternde Menschen gesehen und darin hieß es, dass Menschen mit solch einem Sprachproblem im Schauspiel oder in der Verkleidung nicht stottern. Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Das ist der Grund, warum ich mich damals vor 15 Jahren nur in der Verkleidung in die Öffentlichkeit getraut habe, ich wollte mich hinter der Kunstfigur „Der Graf“ verstecken. Ich hatte große Angst, meine Musik nach außen zu tragen und ausgelacht zu werden, wie man als stotterndes Kind in der Schule beispielsweise ausgelacht wird. Mit den Jahren ist das immer weniger geworden, weil der Applaus gekommen ist und ich dadurch mutiger wurde. Und den Namen „Der Graf“ habe ich damals auch gewählt, weil es eine Wunschvorstellung von mir war wie ein Graf zu sein: stark, groß, mystisch, unangreifbar.

Die Kunstfigur „Der Graf“ ist also durch ihr Sprachproblem entstanden?

Der Graf: Ja, aber das habe ich erst selbst verstanden, als ich mich mit dem Sprachproblem ganz offen auseinandergesetzt habe. Mittlerweile weiß das eigentlich jeder und darüber bin ich sehr dankbar. Endlich brauche ich kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich ab und zu etwas seltsam rede. Das ist eben eine Art und Weise, die zu mir gehört. Aber das wäre vor zehn Jahren noch gar nicht denkbar gewesen. Damals wäre ich niemals so mutig gewesen und hätte gesagt: „Hey Leute, ich bin Stotterer. Macht euch keinen Kopf, wenn ich mal etwas länger brauche.“ Aber mittlerweile kann ich damit ganz locker umgehen.

Würden Sie sogar sagen, Ihr Sprachproblem und die Aufarbeitung dessen haben Sie stärker gemacht?

Der Graf: Auf jeden Fall. Ich bin ja auch immer ein Spiegelbild meiner eigenen Musik und die ist wesentlich offener geworden, hat mehr Licht bekommen.

Wie sieht bei Ihnen eigentlich ein Tag aus, an dem Sie nicht der Graf sind?

Der Graf: Ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie zu verbringen. Ich habe das Glück, dass die recht groß ist, aber nicht allzu weit auseinander wohnt. Deshalb probiere ich auch immer, alle zusammenzutreiben – sei es zum Essen, zum Grillen oder nur auf einen Kaffee. Und wenn ich mal gar nichts machen will, dann liebe ich es DVDs zu gucken, mir was Leckeres zum Essen zu bestellen, die Füße hochzulegen und fernsehzugucken. Ansonsten gehe ich super gerne mit meinen Hunden spazieren.

Welche DVDs stehen denn in ihrem Regal?

Der Graf: Ich bin ein großer Fan von „The Big Bang Theory“. Ich freue mich auf die siebte Staffel. Ich weiß nicht wann sie kommt, aber ich habe sie alle und jede Folge bestimmt schon zehnmal gesehen. Ich finde diese Serie cool. Irgendwie sind wir doch alle ein bisschen wie Sheldon. Das ist gute Unterhaltung, bei der man gut abschalten kann. Mir gefällt vor allem der Aspekt, dass da nun die Jungs mit den dicken Brillen, die in der Schule immer gut waren – außer im Sport -, die aber nie cool waren, die keiner mochte, nun eine eigene Serie haben. Und die ist auch noch unglaublich erfolgreich.

Und was für ein Outfit tragen Sie in der Freizeit?

Der Graf: Also ich renne sicher nicht in einem schwarzen Anzug rum. Ich habe eine Jeans an oder auch mal eine ganz normale bequeme Jogginghose.

Klingt nach einem ganz normalen Menschen.

Der Graf: Ja, das klingt für viele wohl recht langweilig. Jeder glaubt immer, wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist das wahnsinnig spannend, da ist immer Action. Da wird dir schon morgens beim Aufstehen applaudiert, ein roter Teppich ausgerollt und Kamera-Teams warten im Wohnzimmer. Aber so ist das nicht. Wir rennen ganz normal und ungeschminkt rum. Das ist eben das normale Leben, aber ich finde das total gut.

Ist das auch ein Stück Normalität, das man sich bewahrt?

Der Graf: Absolut, das ist ganz wichtig. Ich könnte auch nicht ständig Trubel haben. Das ist ein Grund, warum ich nicht nach Berlin ziehen möchte. Ich will lieber in der Nähe meiner Familie, meiner Freunde und meiner Bekannten sein. Außerdem will ich da leben, wo ich groß geworden bin. Einen roten Teppich brauche ich privat nicht.