Denyo: „Dieses Leben ist ein fleischgewordenes Wunder“

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Denyo: „Dieses Leben ist ein fleischgewordenes Wunder“

Nach einer kleinen Hip-Hop-Depression hat Denyo herausgefunden, dass Rap auch für Erwachsene funktioniert. Gut für die Hörer, denn sein neues Album "Derbe" ist, nun ja, echt derbe. Inspirieren lässt sich Denyo heute unter anderem von seinen Kindern, wie er spot on news erzählt.

Nur weil die erste Deutschrap-Generation erwachsen geworden ist, gehört sie noch lange nicht zum alten Eisen. Ein gutes Beispiel dafür ist Denyo (bürgerlich Dennis Lisk, 38) und sein neues Soloalbum „Derbe“. Im Jahr 17 nach „Bambule“ überzeugt das Beginner-Mitglied mit futuristischen Beats und versierten, angenehm klischeefreien Lyrics. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Denyo, wie er eine Hip-Hop-Depression überwunden hat und wie die Geburt seiner Kindern seine Sichtweise auf das Leben veränderte.

Ihr letztes Album „Suchen & Finden“ ging eher in die Songwriter-Richtung, auf „Derbe“ gibt es nun sehr elektronischen Rap. Warum der erneute Stilwechsel?

Denyo: Ich bin ein extrem Bass-süchtiger Mensch und mag den elektronischen Einschlag, den es so ja auch erst seit ungefähr fünf, sechs Jahren gibt. In meiner Radiosendung „Top of the Blogs“ habe ich auch nur Future Bass gespielt, Low Bass Music. Für mich ist das einfach eine neue Herangehensweise an Musik, besonders an Hip-Hop. Und ich bin kein Freund von Wiederholungen, dementsprechend bin ich einen neuen Weg gegangen. „Suchen & Finden“ davor war eine schöne Geschichte, die mir seelisch und musikalisch sehr wichtig war. Ich hatte in der Zeit eine kleine Hip-Hop-Depression, und da wusste ich mir nicht anders rauszuhelfen, außer indem ich alles loslasse und einfach mal das Anti-Programm zu dem mache, was ich eigentlich mache.

Wie haben Sie aus dieser Hip-Hop-Depression wieder herausgefunden?

Denyo: Das kam, als ich mich Anfang 2010 wieder mit Jan zusammengetan hatte. Da meinten wir, „komm, lass uns mal wieder ein bisschen rocken“, und da habe ich neues Blut geleckt. Da habe ich gemerkt, was ich kann und was ich damals noch nicht konnte, deswegen musste ich auch über Jahre hinweg hart trainieren, um die Skills in der Form zu erreichen, wie ich sie jetzt habe. Da habe ich dann mal gemerkt, man kann doch aus Rap-Texten viel mehr rausholen, als ich dachte. Es gibt einiges, was man noch machen und erreichen kann, besonders auch als erwachsener Mensch. Da war ich mir eine Zeitlang auch nicht so sicher, ob man als erwachsener Mensch erwachsenen Hip-Hop machen kann, der unterhaltsam ist – aber es geht!

Wie sieht es denn aus bei den Beginnern, können wir bald mit einer neuen Scheibe rechnen?

Denyo: Da sieht es gut aus. Wir haben alle Bock, und das ist ja das Wichtigste. Ich sage immer, die einzige Gefahr wäre, wenn jetzt auch noch DJ Mad sagen würde, er will noch eine Jazzplatte machen oder so… dann hätten wir ein echtes Problem. Aber das wird wahrscheinlich nicht passieren, und deswegen sind wir alle guter Dinge. Jan hat eine harte Tour hinter sich und ist vor nicht allzu langer Zeit Vater geworden und da auch sehr ambitioniert, aber ich glaube, dass er jetzt langsam anfängt, wieder Beats zu machen. Ich mache jetzt noch Promo für mein Album und ein paar Shows, dann geselle ich mich dazu. Wir haben alle Bock und sind sehr gut im Training, deswegen steht dem jetzt nichts mehr im Wege.

Viele werden überrascht sein, dass bei dem Song „Kein Bock“ neben Jan Delay auch Sido als Gast zu hören ist. Wie kam es dazu?

Denyo: Ich hatte den Song mal Jan gezeigt und er meinte „Find ich Hammer, ich will da auch was drüber rappen“, da habe ich mich voll drüber gefreut. Dann dachte ich mir, da gibt es sicher noch andere Leute, die den Beat geil finden und sich auch mit dem Thema identifizieren können. Und es sollte nicht so ein vorhersehbares Feature sein. Ich wollte was haben, das fresh ist, und Sido, Eizi Eiz und Denyo auf einem Song gab es vorher noch nicht. Gleichzeitig dachte ich mir, dass Sido auf jeden Fall jemand ist, der zu dem Thema – keinen Bock zu haben, von stalkenden Fans vollgelabert zu werden – bestimmt das eine oder andere Wörtchen mitzureden hat. Und so kam halt alles zusammen.

In „Papa“ erklären Sie Ihrer Tochter den Hip-Hop…

Denyo: Der Track folgt einer Herangehensweise, die es vorher so im deutschsprachigen Rap noch nicht gab: Man kriegt Fragen gestellt, die man im Song nicht hört, und durch die Beantwortung wird einem klar, was die Frage überhaupt war. Das fand ich interessant, auch damit einhergehend, dass mir meine Tochter wirklich zurzeit auf den Sack geht mit ihren Fragen (lacht). Und ich wollte auch einfach zeigen, wir Hip-Hopper haben inzwischen auch Kinder, und wir kümmern uns auch um unsere Kinder. Ich wollte mit dem Klischee brechen, das manche Leute immer noch haben, dass man als Hip-Hopper nur so ein kiffender Asi sei. Und dann war natürlich das Sahnehäubchen, dass Torch, als Vater des deutschen Hip-Hop, noch im Refrain mitgemacht hat.

In dem Song rappen Sie auch „Früher dachte ich, ich würd nicht an Gott glauben, doch dann kam ein kleiner Engel…“ – Hat die Geburt Ihrer Tochter Ihr Leben so umgekrempelt?

Denyo: Ja, ich habe ja einen zwölfjährigen Sohn, der hat auch schon viel umgekrempelt, und jetzt kommt noch ein Junge, der wird auch nochmal alles umkrempeln. Jedes Kind inspiriert dich und zeigt dir, dass das Leben noch mehr ist als das, an was wir im Alltag so denken: Arbeiten, Karriere, Essen, Party machen, diese oberflächlichen Dinge. Es gibt Momente, die machen dir deutlich klar, dass das Leben sehr viel mehr ist als das. Und einer dieser Momente ist auf jeden Fall, wenn du neben deiner Frau bist und siehst, wie auf einmal zwischen den Beinen der Kopf deines Kindes da rauskommt. Du merkst, dieses Leben ist echt ein fleischgewordenes Wunder.

„Hübsche Frauen“ handelt von einem Mann, der von einer anspruchsvollen Dame in den Ruin getrieben wird. Ist das nur so eine Geschichte, oder basiert der Song auf eigener Erfahrung?

Denyo: Beides, es ist immer beides. Man übertreibt bei sowas ein bisschen, aber es hat natürlich einen wahren Kern. In meinem Fall jedenfalls, und vielleicht auch generell. Es ist ja so ein ständiger Prozess mit den Geschlechterrollen: Wer bin ich als Mann? Wer bin ich als Frau? Das weicht ja total auf, und das ist auch gut so. Und trotzdem gibt es ja immer noch diese geschlechterspezifischen Rollen, und da ist es immer noch oft an der Tagesordnung, dass der Mann die Spendierhosen anhaben soll. Und ich weiß auch, dass meine Frau mich nicht nur wegen meinem unfassbaren Reichtum liebt (lacht), aber es ist halt tatsächlich so, wenn es ums Thema Urlaub geht oder um Klamotten, sag ich immer „geht nicht“ und sie sagt immer „gibt’s nicht!“