David Gilmour: Musik aus der Komfortzone
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Sie wissen vermutlich schon, ob Sie sich das neue Soloalbum von David Gilmour kaufen werden. Dass darauf auch mal Spuren von Jazz und Walzer enthalten sein können, ist da eigentlich irrelevant. Denn Sie wissen es vermutlich schon seit 1978, als Gilmours erste Platte herausgekommen ist.
David Gilmour (69) hat kein Problem damit, dass über jedem seiner Songs ein Pink-Floyd-Filter liegt. Dass Pink Floyd aber auch Thema bei jedem Interview sind, ist eine andere Sache. Und zwar eine ärgerliche: „Es macht mich krank. Es ist immer dasselbe und auf Dauer schrecklich langweilig. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht in der Vergangenheit leben möchte, sondern im Hier und Jetzt.“ Wahre Worte – die man aber auch genauso über sein neues Album schreiben könnte.
Ob ein Musiker eher Bezug zur Gegenwart oder zur Vergangenheit herstellen will, sieht man oft schon am Albumcover. Gilmour hat sich für eine Bildmontage mit Vögeln entschieden, die vor dramatischer Himmelskulisse aus dem Käfig in die Freiheit fliegen. Ein bisschen subtiler hätte man die Botschaft schon verpacken können.
Schon der Anfang ist die Verhöhnung von jedem Journalisten, den Gilmour anfährt, er wollte nichts mehr von Pink Floyd hören – es ist ja auch eine persönliche Errungenschaft, der einzige Musiker zu sein, der so zwischen Musikgeschichte und zentnerschwerer Seichtigkeit schwelgen darf.
Im darauf folgenden Titelstück soll das Schloss vermutlich mit viel Hüftschwung geöffnet werden, hier bittet Gilmour jedenfalls auf die Tanzfläche. Zum elegischen „Faces Of Stone“ darf Walzer getanzt werden, beim überraschend lässigen „Girl In The Yellow Dress“ Jazz. „A Boat Lies Waiting“ erinnert nicht nur optisch an das letzte Pink-Floyd-Werk und klingt genau, wie man sich das bei einem Gilmour-Song mit Richard-Wright-Bezug vorstellt. Die zart schubsenden, kaum hörbaren Keyboard-Streicher beim Schlusssong „And Then…“ schlagen den Bogen zum Eröffnungssong. Dazwischen noch ein paar Lieder, die nicht weiter auffallen.
Acht Kinder, eine Frau, mit der er sogar das Songschreiben teilen kann, ein Anwesen in Sussex, ein Hausboot als Studio, soziales Engagement, und das generelle Dasein als einer der angesehensten Musiker der Welt – wenn man seinen Wikipedia-Eintrag liest, wird einem schnell bewusst, dass der 69-jährige Gilmour ziemlich viel im Leben ziemlich richtig gemacht hat. Entsprechend zufrieden hört sich seine Musik seit Jahrzehnten an:
Diese Pink-Floyd-Gitarre, die immer ein bisschen wie eine Hawaiigitarre auf Valium klingt und der Gesang, der jedes Baby beruhigen könnte. Alles weich und fluffig wie durch einen Vorhang aus Beruhigungsmitteln – was vermutlich der größte Unterschied zu moderner Musik ist, bei der die Ecken und Kanten des Wohlfühl-Raumes ja sogar von jedem Pop-Musiker gelegentlich angetestet werden. Gilmour legt lieber noch einen Wassereffekt drüber, er kann nicht anders.
Gilmour macht Musik, die eher von der „Rolling Stone“-Redaktion als in der „Intro“-Kantine gehört werden wird. Er ist von der alten Schule, und wird damit wieder auf Platz eins landen, nicht nur weil seine Anhängerschaft noch eher Vinyl und CDs konsumiert als Spotify. Dass das auch dieselben sind, die das letzte Pink-Floyd-Album gekauft haben, sollte ihm keine Last sein. An Ansehen oder angesehenen Gästen wie Jools Holland, David Crosby oder Graham Nash fehlt es dem Mann, der offiziell zu den besten Gitarristen der Welt zählt, doch sicher nicht.