Christopher Lee: Von Dracula bis Saruman

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Christopher Lee: Von Dracula bis Saruman

Filmfans auf der ganzen Welt trauern um ihren Lieblings-Schurken: Christopher Lee hatte sich Ende der 50er als Dracula in die Herzen der Kinobesucher gespielt. Es war erst der Anfang einer Ausnahmekarriere.

Fast hätte man glauben können, der legendäre Film-Vampir sei tatsächlich unsterblich. Doch im Alter von 93 Jahren ist für Sir Christopher Lee der letzte Vorhang gefallen. Es ist das Ende einer beispiellosen Ausnahmekarriere. In 68 Jahren war Lee an über 280 Filmprojekten beteiligt, und schrieb dabei mehr als einmal Kinogeschichte.

Früh übt sich: Erste Schurkenrolle im Schultheater

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London als Sohn des britischen Offiziers Geoffrey Trollope Lee und seiner Frau Estelle Marie, einer italienischen Gräfin, geboren. Seine Eltern trennten sich, als er vier Jahre alt war, die Mutter zog danach zunächst mit Lee und seiner Schwester Xandra in die Schweiz. Dort spielte er in einer Schulaufführung seine erste Rolle – und zwar damals schon als Bösewicht: Das Rumpelstilzchen. Später, die Mutter war nach England zurückgekehrt und hatte erneut geheiratet, besuchte Lee das Wellington College, das er im Jahr 1939 nach dem Bankrott seines Stiefvaters verlassen musste.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs meldete sich Lee als Freiwilliger bei der finnischen Armee, die ihn jedoch nach zwei Wochen wieder nach Hause schickte. 1941 ging er zur Royal Air Force, der Krieg führte Lee als Nachrichtenoffizier nach Nordafrika, Italien und Österreich. Nach Kriegsende verbrachte er die letzten Monate seines Militärdienstes mit dem Aufspüren von NS-Kriegsverbrechern. Zurück in London war ihm die Lust an dem zuvor angetretenen Bürojob vergangen. Sein Cousin Nicolò Carandini, der italienische Botschafter in Großbritannien, brachte ihn dann auf die Idee, Schauspieler zu werden. Der mütterliche Zweig von Lees Familie hatte bereits einige Talente auf dem Gebiet hervorgebracht.

Ein neuer Star am Horror-Himmel

Zehn Jahre lang schlug sich Lee mit kleinen Nebenrollen durch, bevor er 1957 den Durchbruch mit seiner ersten Horror-Rolle für die legendären Hammer Studios hatte: Der Schauspieler war wie geschaffen für die Rolle des Monsters in „Frankensteins Fluch“. Den Dr. Frankenstein gab Peter Cushing, das wohl legendärste Horror-Gespann der Filmgeschichte war geboren. 1958 waren die beiden in „Dracula“ erstmals in ihren Paraderollen zu sehen: Lee als charismatischer Graf Dracula, Cushing als grimmiger Vampirjäger Abraham van Helsing.

Unzählige Male verkörperte Lee in den nächsten Jahren Dracula und andere Figuren aus dem klassischen Grusel-Repertoire, darunter Jekyll und Hyde, die untote Mumie, den verrückten Mönch Rasputin und den chinesischen Superschurken Fu Manchu. Es erscheint fast wie ein Wunder, dass Lee zwischendurch noch die Zeit fand, zu heiraten: 1961 führte er das dänische Ex-Model Birgit Kroencke vor den Traualtar, die Ehe hielt bis zu seinem Tod. 1963 kam Lees einzige Tochter Christina zur Welt.

Schrecken ohne Ende?

Die Horror-Rollen waren Lee oftmals zuwider, zumal er – durchaus zurecht – befürchtete, auf ewig in diese Ecke gedrängt zu werden. Die Hammer Studios hätten ihn „emotional erpresst“, wieder und wieder den Vampirfüsten zu spielen, erklärte Lee später. Obendrein wurden die Hammer-Produktionen immer trashiger. Schon in der „Dracula“-Fortsetzung „Blut für Dracula“ (1965) weigerte sich Lee nach der Ansicht des Drehbuchs, auch nur eine Zeile seiner Dialoge zu sprechen – der Blutsauger blieb somit den ganzen Film über stumm. Auch von der Idee, Dracula in späteren Episoden in die Gegenwart zu holen, hielt Lee herzlich wenig, weshalb er 1972 den Vampirumhang an den Nagel hängte.

Lee strebte ohnehin nach anspruchsvolleren – wenn auch oft genug weiter schurkischen – Rollen. Ganz nach seinem Geschmack waren etwa Lord Summerisle in „The Wicker Man“ (1973) und natürlich Scaramanga in „James Bond 007: Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974). Ab Ende der 1970er verschwand Lee ein wenig in der Versenkung, obwohl er quasi jedes Jahr vor irgendeiner Film- oder TV-Kamera stand. Seine markante tiefe Stimme machte Lee auch zu einem gefragten Synchronsprecher – dank seiner Sprachkenntnisse nicht nur auf Englisch. So lieh er etwa auch in der deutschen Fassung von „Das letzte Einhorn“ (1982) dem finsteren König Haggard seine Stimme. Ab „Sleepy Hollow“ (1999) gehörte Lee als Schauspieler und Sprecher zur Stammbesetzung Tim Burtons.

Ein zauberhaftes Comeback

2001 kam für Lee dann das große Blockbuster-Comeback, natürlich wieder als Schurke: Als abtrünniger Zauberer Saruman versetzte er in „Der Herr der Ringe“ die Anhänger des Guten in Angst und Schrecken. Tatsächlich hatte Lee, der als einziges Mitglied des Casts noch J.R.R. Tolkien persönlich getroffen hatte, jahrzehntelang von einer Rolle in einer „HdR“-Verfilmung geträumt. Allerdings sah er sich dabei eher als Gandalf, für diesen eher actionreichen Part war er dann mit knapp 80 Jahren allerdings doch nicht mehr fit genug.

Immerhin konnte er als Count Dooku in den „Star Wars“-Episoden II und III die meisten seiner Lichtschwertkämpfe noch selber drehen. An den Ruhestand dachte er ohnehin nie: Als Johnny Depp etwa 2013 mit dem Gedanken spielte, das Filmgeschäft aufzugeben, erklärte Lee, er könne seinen jüngeren Kollegen verstehen – für ihn käme das allerdings nicht in Frage, denn die Schauspielerei sei sein Lebenszweck.