CD-Tipp: The Hidden Cameras – Age

Magazin

CD-Tipp: The Hidden Cameras – Age

Mit seiner "Gay church folk music" hat Joel Gibb, Kopf der Hidden Cameras, schon den FC Bayern schockiert. Mehmet Scholl wollte es so. Der Kampf gegen die Hemmungen in Kopf und Beinen geht auch mit dem sechsten Album weiter, das irgendwo zwischen John Maus und der Synth-Goth-Sensation Trust liegt.

Joel Gibb, der Kopf der Hidden Cameras, ist schwul. Dass das gerade in jeder Kritik erwähnt werden muss, ist genauso merkwürdig, wie der Verweis, dass Warpaint eine reine Mädchenband ist, und legt den Verdacht nahe, dass die aktuelle Russland-Gay-Politik auch uns wieder zurück geworfen hat. Weshalb wir jetzt ganz schnell von den menschlichen und sexuellen Vorlieben des Künstlers zu seinen musikalischen kommen: „Age“, das sechste Studioalbum der kanadischen Queer-Band, ist ein ganz wundervolles, abwechslungsreiches und überraschendes Indiepop-Album geworden.

Mit der synthetischen Verspieltheit von John Maus, einem tiefenentspanntem Chillgaze-Dub-Sound, gezupften Geigen und Erinnerungen an die Synth-Goth-Sensation Trust aus dem vergangenen Jahr befinden sich die Cameras eindeutig am Puls der Zeit. Die Songs nehmen sich diesmal etwas zurück, fordern etwas mehr Zeit, um sich im Gehörgang festzubeißen. Es sind versteckte Hits wie die erste Single „Gay Goth Scene“ mit ihrem verhangenen Geigenintermezzo oder der schellenkranzlastige Post-Punk-Opener „Skin & Leather“, die schnell klar machen, was Gibbs mit „Gay church folk music“ meint.

So euphorisch wie früher, als Mehmet Scholl die Band auf seiner Abschiedsfeier spielen ließ und damit den FC Bayern schockierte, wird „Age“ in seinen knapp 40 Minuten nicht. Dass Gibb sich mit Leidenschaft gegen Hemmungen einsetzt weiß jeder, der schon mal auf einem Konzert der bis zu 20-köpfigen Band war: Seine Gogo-Tänzer sollen „die Hemmungen wegtanzen, die sonst auf Indie-Konzerten herrschen, auf denen die Leute immer nur rumstehen, Zigaretten rauchen und über die paar Leute lästern, die versuchen zu tanzen.“ Klingt als bräuchten wir dringend noch mehr Bands wie The Hidden Cameras. Auch wegen ihrer tollen Erwachsenen-Musik.