CD-Tipp: Jennifer Rostock – Schlaflos

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CD-Tipp: Jennifer Rostock – Schlaflos

Das neue Album der Power-Pop-Band Jennifer Rostock schmeißt mit Ohrwurmmelodien, gar nicht so uncleveren Textzeilen und hochmotiviertem Schreigesang nur so um sich. Die Frage aber bleibt: Wie kann so viel Punk-Geschepper so konform klingen?

Der schöne Satz „Wenn du in dich gehst dann gehe nicht unbewaffnet“ wird derzeit ausschließlich von Blogs mit Namen wie „Hasse das Leben“ oder „Mein Leben ist ein Hurensohn“ gebloggt. Es ist eine Zeile aus der Jennifer-Rostock-Single „Ein Schmerz und eine Kehle“ und gibt schon einen ganz guten Überblick, welches Publikum die Band aus Berlin meist anspricht: wütende Jugendliche in der Pubertät.

Es ist nun mal eine Frage des Alters, wie lange man diese abgeschwächte Version von Punk aushält, in der aufdringliche Melodien und Schrei-Gesang gleichermaßen übermotiviert um die Aufmerksamkeit des Hörers buhlen. Dabei lassen sich Jennifer Rostock einiges einfallen: In der eben erwähnten Single versucht sich Jennifer Weist sogar am Sprechgesang, womit sie längst verdrängte Erinnerungen an Tic Tac Toe wiederauferleben lässt.

„Echolot“ ist eine nette Auszeit für die Ohren von all der Emo-Wut, auch wenn es hier noch lange nicht leise zugeht. „Wenn Der Wodka Zweimal Klingelt“ ist eine Akustik-Ballade über die Vorzüge des Alkohols, den man sich in dieser Atempause auch gerne widmen würde, bevor „Hollywood“ wieder Richtung Stadion-Power-Pop rockt. Irgendwie klingt es, als würde sich die Band im wahrscheinlich sarkastisch gemeinten „K.B.A.G.“ selbst vorführen: „Wir brauchen eine Hook, die irgendwen berührt / Und wir brauchen einen Text, den jeder gleich kapiert / Und wir brauchen einen Sound, der im Radio funktioniert / Und dazu eine Fanbase, die kräftig konsumiert.“ Ist das jetzt dreimal um die Ecke gedachte Ironie oder doch der Versuch, trotz aller offensichtlichen Chartbemühungen besonders Indie und authentisch rüberzukommen?

Man fragt sich im Laufe dieses Albums einfach öfter, wie so viel Punk-Geschepper so konform klingen kann. Warum sich Strophe, Bridge und Refrain so gewissenhaft an das Handbuch des perfekten Popsongs halten, während in den Texten immer von „Scheißwut und Weißglut“ die Rede ist und gar nicht unclever Ton Steine Scherben zitiert werden: „Lass los was dich nicht loslässt“.