CD-Tipp: Bonaparte – Bonaparte

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CD-Tipp: Bonaparte – Bonaparte

Ganz neue Töne: Die Berliner Chaostruppe Bonaparte ist eigentlich nur auf der Bühne ein Kollektiv. Die Musik schreibt Frontmann Tobias Jundt im Alleingang - was man ihr bisher auch angehört hat. Mit dem vierten Album blickt er erstmals über den Tellerrand seines Klangkosmos - mit erstaunlichem Ergebnis.

Eigentlich sind Bonaparte mit ihrer kunterbunten Berlin-Boheme-Chaos-Kollektiv-Einstellung, den lustigen Kostümen, wildem Elektropunk und schamlosen Bühnenshows eine dieser Bands, die die Zeitungen, Festivals und Partywütigen immer auf ihrer Seite hat. Doch der Kaiser hat ein Problem: Abseits der Bühne war er Alleinherrscher, Bonaparte-Alben sind allein dem Kopf von Tobias Jundt entsprungen und das hört man ihnen auch an. Oder: hörte. Denn mit seinem ersten selbstbetitelten Album geht Jundt erstmals einen Schritt weiter in seinem Klangkosmos.

Die letzten drei Alben funktionierten alle nach dem Motto „Auf sie mit Gebrüll!“ Die Waffen waren ein Schlagzeug, das immer die absolute Ekstase zum Ziel hatte, dilettantischer Gesang, wie durch ein Megafon verzerrt, lustige Computergeräusche, die an Videospiele oder Kinderspielzeug erinnerten, und Slogans für das Partyvolk wie „Anti Anti!“. Das hat live und mit einigen Umdrehungen in der Birne zwar wunderbar funktioniert, war als Albumerlebnis allerdings eher eintönig.

Nun hat der 35-jährige Jundt die pinken Haare abgelegt und sein Händchen für Melodien und Songstrukturen entdeckt. So kommt es, dass man beim Anfang von „Bonaparte“, einer Art elektronischem Krautrock-Freestyle, schon mal kurz verwirrt aufs CD-Cover guckt, um sich zu versichern, dass das hier wirklich Bonaparte sind. Bei Song Nummer zwei „I Wanna Sue Someone“ ist der Blick dann nicht mehr nötig: Beat, Gesang, Kinderspielzeug und ein Refrain zum Mitgrölen. Ok, doch Bonaparte. „Me So Selfie“ ist schon vom Titel her ein glasklarer Bonaparte, der typische Sprechgesang ist auch wieder präsent.

Doch „Into The Wild“ lässt das soeben aufgebaute Bonaparte-Standard-Bild sofort wieder einstürzen: Diese nahezu schwermütige Electropopnummer erinnert wie „Like An Umlaut In English“ mehr an The Notwist als an Bonaparte. Der nächste Track verbindet die alten und neuen Bonaparte schließlich: „Riot In My Head“ lockt erst mit ruhigen Tönen und der Textzeile „make me devot“, bevor im Refrain die Verzerrer ausgepackt und psychedelische elektronische Töne anschlagen werden. Mit etwas Fantasie werden hier sogar Erinnerungen wach an das düstere Projekt von Danger Mouse und Sparklehorse. „Dark Night Of The Soul“.

Wobei das etwas zu weit führt. Bonaparte bleiben ihrem DIY-Elektropunk-Partyband-Image treu – aber fügen eine weitere Ebene hinzu. Wie das Streicherintro, das kurz eine Art kulturell erhabenes Erlebnis vorgaukelt, bevor explodierende Rhythmen, Jundts Kleine-Jungs-Stimme, ein LCD-Zitat und ein Orgelsynthie wieder alles einreißen. Hier sind noch immer Hedonisten und Nihilisten am Start, die mit „May The Best Sperm Win“ den besseren WM-Anfeuerungssong geschrieben hätten.