Brandon Boyd: „Ich bin gerne seltsam“

Magazin

Brandon Boyd: „Ich bin gerne seltsam“

Brandon Boyd ist zurück! Allerdings nicht mit seiner Band Incubus, sondern solo als Sohn des Meeres. Wie es zu dem Projekt Sons Of The Sea kam, ob er sich auch eines Tages als Schauspieler versuchen wird und warum er gerne unter Jägern und Sammlern leben würde, erzählt er der Nachrichtenagentur spot on news.

Musiker, Maler, Autor – Brandon Boyd, als Sänger der US-amerikanischen Band Incubus zum Weltstar gereift, ist der Inbegriff eines Multitalents. Mit seinem neuen Projekt Sons Of The Sea begibt sich der 38-Jährige nach 2010 nun erneut auf Solopfade. Der Nachrichtenagentur spot on news verrät der Tausendsassa, wann ihm die Idee für das neue Album kam, wieso er selbst ein Sohn des Meeres ist und warum er nachts immer ein Aufnahmegerät griffbereit hat.

Mit Sons Of The Sea melden Sie sich als Solokünstler zurück. Wann kam ihnen die Idee für dieses Projekt?

Brandon Boyd: Die Idee für Sons Of The Sea – auch wenn ich erst wesentlich später wusste, dass es so heißen würde – kam mir schon einige Wochen, nachdem Incubus als Band beschloss, eine erweiterte und unbestimmte Pause einzulegen. Wir wussten damals noch nicht, wann wir wieder gemeinsam Musik machen würden. Für mich war einerseits der Gedanke anziehend, eine Pause von den Touren zu machen, andererseits bot sich mir auch die Gelegenheit herauszufinden, wer ich wirklich bin, als Künstler und als Mensch. Ich wollte weg von meiner etablierten Identität und einfach etwas Neues machen.

Warum sind Sie ein „Son Of The Sea“, ein Sohn des Meeres?

Boyd: Schon als ich ein Kind war, fühlte ich eine tiefe innere Verbindung zum Ozean, ohne damals wirklich den Grund dafür zu kennen. Ich fing daraufhin an, zu surfen, und tue dies auch heute noch. Immer wenn ich zuhause bin und die Gelegenheit dazu habe, ist das meine Art der Gemeinschaft mit der Natur. Erst kürzlich kam aber eine neue Bedeutung für mich hinzu. Das Meer repräsentiert für mich etwas, das so viel größer ist, als ich es bin. Wenn ich kurz in das Abstrakte mit Ihnen gehen kann: Es ist der Ursprung aller Existenz, alles Leben auf der Erde fand darin seinen Beginn. Ich habe daher sowohl auf intellektueller als auch spiritueller Basis großen Respekt, Bewunderung, aber auch Ehrfurcht vor dieser mächtigen Entität.

Für einen Ihrer Songs, „Untethered“ haben Sie sich ein Zitat von Emily Dickinson entliehen, einer Schriftstellerin aus dem 19. Jahrhundert. Ist sie eine Quelle der Inspiration für Sie?

Boyd: Auf jeden Fall. Ich lernte ihre Poesie in der High School kennen. Immer mal wieder gibt es Zeilen oder Strophen eines Poeten, die herausstechen und mich ergreifen, ohne dass ich wirklich festmachen kann, woran das liegt. Es geht in dem Lied um die Suche nach der Wahrheit, und dass diese manchmal zu heftig ist, als dass man sie ertragen könnte. Doch die anhaltende Suche nach der Wahrheit hilft einem dabei, sein Leben zu akzeptieren. Entschuldigung, wenn ich gerade etwas zu esoterisch klinge…

Kein Problem, es ist tatsächlich eine gute Überleitung. Sie beschreiben die Musik von Sons Of The Sea als „Oddball-Pop“. „Oddball“ bezeichnet einen exzentrischen Menschen, eine Art Sonderling. Sehen Sie sich denn als solchen?

Boyd: Von Zeit zu Zeit würde ich mich schon so beschreiben, ja. Aber das ist für mich nicht negativ. Wir leben in einer Zeit, in der Einzigartigkeit immer seltener wird. Etwas seltsam zu sein ist für mich ein Kompliment. Als ich das Album machte, gab es viele Momente, in denen mich der Sound davon zum Lachen brachte, eben weil er einen seltsamen Eindruck machte, welcher sehr erfrischend auf mich wirkte. Gleichzeitig würde ich aber auch sagen, dass es ein sehr zugängliches, pop-freundliches Werk geworden ist – mehr als alles andere, das ich bislang gemacht habe.

Wäre das mit Incubus nicht möglich gewesen?

Boyd: Unsere Erfolge mit Incubus waren so unglaublich und unerwartet. Sie übertrafen all meine Vorstellungen. Der Erfolg hatte aber auch seinen Preis, nämlich eine immens große Erwartungshaltung, und zwar nicht nur von den Fans, sondern auch vom Musik-Label und zwischen den Bandmitgliedern. Das kann sehr gefährlich für die Kreativität sein. Mit Sons Of The Sea gab ich mir selbst die Erlaubnis, mich als Künstler weiterzuentwickeln.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach gute Kunst aus?

Boyd: Ich denke, das Schöne an Kunst jeder Art ist, dass sie eine gewisse Unbrauchbarkeit auszeichnet, die spirituell sehr aufklärend sein kann. Wir leben in einer so ernsten Welt, da ist etwas so liebenswert Unnützes wie Kunst umso schöner.

Stimmt es, dass Sie selbst in Ihren Träumen Ideen für neue Lieder haben?

Boyd: Das ist richtig. Meine Mutter brachte mir als Kind bei, meine Träume zu einem gewissen Grad zu lenken. Bei unangenehmen Träumen bin ich zum Beispiel in der Lage, mich selbst zu wecken. Seitdem übe ich diese luziden Träume, was mir ab und zu sehr klare musikalische Träume beschert. Dabei wird mir im Verlauf irgendwann klar, dass ich träume, und ich versuche während des Aufwachens die Melodie zu summen und so schnell es geht auf ein Aufnahmegerät zu bannen. Diesem ungewöhnlichen Vorgang sind schon einige meiner Lieder entsprungen.

Sie machen nicht nur Musik, sondern malen auch. Wie unterscheidet sich das Gefühl, ein Lied und ein Bild fertigzustellen?

Boyd: Das ist eine interessante Frage. Es ist nicht unterschiedlich genug, als dass ich Ihnen den Unterschied erklären könnte. Die Texte, die ich schreibe und die Bilder, die ich male, scheinen alle dem selben Ursprung zu entstammen – verschiedene Zweige des selben Baumes, wenn man so will. Ich sehe mich aber als wirklich glücklich an, meine Kreativität überhaupt auf verschiedene Arten ausdrücken zu können. Denn es gab Zeiten in meinem Leben, in denen mir das verwehrt blieb, hauptsächlich aus finanziellen Gründen.

Bei all Ihren Talenten, reizt Sie da nicht vielleicht auch die Schauspielerei?

Boyd: Doch, sogar sehr. Ich habe viele Freunde, die unheimlich talentierte Schauspieler sind. Ich glaube, was mich bislang davon abgehalten hat, war die Tatsache, dass ich stets so beschäftigt mit meiner Musik und Kunst war. Außerdem gab es in der Filmgeschichte schon so herausragende Darbietungen, die mir gezeigt haben, was für eine immense Leistung diese Kunstform abverlangt. Und nur weil ich ein semi-bekanntes Gesicht habe, gibt mir das noch lange nicht das Recht, einfach in das Filmbusiness einzusteigen und mich Schauspieler zu schimpfen. Sollte ich es also wirklich mal versuchen, würde ich es davor auf jeden Fall erst professionell erlernen wollen. Und dann würde mich auch eher das Theater interessieren.

Wenn Sie eine Zeit frei wählen könnten, in der Sie leben, welche wäre das?

Boyd: Ich liebe diese Frage. Es gibt einige Momente der Menschheitsgeschichte, die ich sehr faszinierend finde. Aber auch das Hier und Jetzt ist eine tolle Zeit. Ich wuchs im Süden von Kalifornien in den späten 70er Jahren auf. Wenn ich aber eine Zeitmaschine hätte, würde ich gerne damit in eine Zeit noch vor der Agrarisierung reisen, mich einem kleinen Stamm von Jägern und Sammlern anschließen. Wahrscheinlich wäre dann aber meine Lebenserwartung nicht die Allerbeste.