Bonaparte: „Man muss sich Freiheiten nehmen!“

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Bonaparte: „Man muss sich Freiheiten nehmen!“

Die Musikwelt ist wieder ein Stück bunter: Bonaparte haben am Freitag ihr neues Album "Into The Wild" veröffentlicht und bilden erneut ein Sprachrohr der "Generation Y". Im Gespräch mit spot on news erklärt Frontmann Tobias Jundt, warum seine Musik ist, wie sie ist und weshalb er auch heute noch für ein warmes Bier spielt.

„May The Best Sperm Win“ ist nur ein Song auf der neuen Platte „Into The Wild“ von . Pointiert chaotisch, ehrlich und auch wieder kritisch-fröhlich melden sich und Co. mit dem vierten Studioalbum in den Gehörgängen zurück. „Kaiser“ Jundt höchstpersönlich hat vorab mit der Nachrichtenagentur spot on news gesprochen und erklärt, warum er sich manchmal wie ein Fremdkörper fühlt – und weshalb er mehr Maiskolben fordert.

Sie haben einen neuen Song mit dem Namen „Out Of Control“. Waren Sie denn als Künstler oder Band überhaupt jemals unter Kontrolle?

Tobias Jundt: Die Wechselwirkung von Chaos und Ordnung, Kontrolle und außer Kontrolle, die ist sehr spannend. Das ist, wie wenn ich einen Stagedive mache. Der Moment des Stagedives ist Kontrolle. Ich gehe da raus und tue das. In dem Moment, wo du das tust, da denkst du gar nichts, bis du wieder landest. In diesem Moment bin ich außer Kontrolle. Sich aber diesem Spielfeld hinzugeben ist dann doch auch wieder Kontrolle. Ich glaube, es ist diese Mischung. Sich einfach mal fallen lassen, das ist schon ein wichtiges Moment für meine Musik. Deshalb ist meine Musik, wie sie ist. Das Lied „Out Of Control“ selbst ist ein Lied über Amerika. Es ist ein sozialkritisches Lied – und es ist ja auch manchmal ein bisschen „out of control“, da in Amerika.

Allerdings. In den USA sind Sie aber trotzdem auch schon aufgetreten.

Jundt: Ja, schon oft. Lustigerweise ist mir später aufgefallen, dass es der selbe Club war, in dem auch Lady Gaga aufgetreten ist. Ich habe da zweimal die Woche gespielt – für ein warmes Bier. Das war tatsächlich so: Ein warmes Bier hat man gekriegt, so ein wässriges. Alles andere musste man schon bezahlen. Das war sehr toll. Ich mag das, nochmal bei Null anzufangen. Es ist wichtig, das sollten alle mal tun.

„Like An Umlaut In English“ heißt ein anderer Song. Welcher Umlaut wären Sie?

Jundt: Ich wäre wahrscheinlich ein eigener. Ich wäre ein uo mit einem Zirkumflex oder, nee, lieber ein o mit drei Pünktchen. Das ist die Stimmung unseres Lebens. Die ganze Platte ist ja ein „sich öffnen“ und das ist sehr schön. Ein „nach Hause kommen“. Und ja, Umlaut ist, wenn man wo drin ist und da nicht reinpasst. Irgendwie wandelt man durchs Leben mit Menschen aus der Zeit, in der man halt gerade geboren ist. Ich mag die Stimmung dieses Lieds sehr gerne und auch all die Sätze, die darin sind.

Apropos „nicht reinpassen“. Sie und der Rest von Bonaparte passen eigentlich auch in kein Schema. Haben Sie dadurch nicht eine derart große Narrenfreiheit, dass Sie immer das tun können, was Sie wollen?

Jundt: Ja, das stimmt. Das könnten eigentlich alle. Außer natürlich, der Chef ist verklemmt und hat einen Stock im Arsch, aber sonst kann das jeder. Als ich mit meinem kleinen roten Valley-Auto, dieser Parkbank mit Rädern, vor langer Zeit fast ein Jahr lang rumgefahren bin und quasi darin gelebt habe, bin ich ausgebrochen. Das heißt jetzt nicht, dass wir alle Aussteiger sein sollten, was lustigerweise bei „Into The Wild“ ein paar Leute denken. Es ist eher so, dass es wichtig ist in dem Leben, in dem wir stecken, zu erkennen, dass man sich diese Freiheiten nehmen kann und darf und soll und muss! In Bonaparte war, mit Außen verglichen, schon viel Freiheit. Aber gleichzeitig ist es auch eine Wechselwirkung. Wir sind alle in diesen Prozessen, in der Kultur, in der wir leben, drin. Wenn man etwas will, dann soll man das auch tun, solange man die paar ethischen Grundrechte respektiert.

Wenn Sie immer nur das tun, was Sie wollen, kann Ihnen Ihr Leben dann überhaupt auch mal stinken?

Jundt: Na ja, man baut sich das ja. Ich tue viele verschiedene Dinge, weil ich das halt so mag. Dazu gehört nicht nur Bonaparte. Ich habe auch noch andere Standbeine, die nach ganz anderen Regeln funktionieren. Ich glaube, bei der neuen Platte ist es schon wieder ein bisschen wie bei „Too Much“. Ich habe die mehr oder weniger allein reingehauen und es war auch befreiend, mal wieder aus Berlin wegzugehen, wo immer eine ganz bestimmte Erwartungshaltung war. Bonaparte ist gewachsen. Am Anfang war es diese Idee von uns als Berliner Stadtmusikanten und dann haben wir uns entwickelt. Irgendwann stagniert sowas halt auch und dann muss man da wieder ausbrechen. Ich glaube, die Platte klingt schon nach etwas Neuem und einem Aufbruch. Es ist ein „zu sich finden“, in dem Moment jetzt. Ich bin nicht mehr der von vor sieben Jahren. Ich bin ein anderer Mensch. Da kommen auch andere Themen in die Songs. Ich habe jetzt ganz andere Verantwortungen und habe nicht mehr die selben Dinge im Kopf wie 2006 zum Beispiel.

Gerade der Song „Into The Wild“ klingt aber auch etwas melancholisch.

Jundt: Oh, aber mir geht es sehr gut. Ich bin ein glücklicher Mensch. Klar habe ich auch etwas, was man auf den Tisch legen und drüber nachdenken kann, aber das war ja auch immer so. Aber den Mut zu haben, die Happy-Platte zu machen, da bin ich jetzt auf dem Weg dazu. Mit der Aktuellen habe ich wieder ein paar Türen geöffnet. Auch zurück zu dem, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe, nämlich Musik und Songs schreiben. Dieses Jahr feiere ich das 30-jährige Jubiläum als Songwriter.

Das ist eine lange Zeit.

Jundt: Ich alter Sack.

Wäre spannend, mal zu hören, was Sie so mit fünf Jahren geschrieben haben.

Jundt: Das könnten Sie, es gibt Aufnahmen. Ich habe Multi-Track-Aufnahmen von mir, bei denen ich so zehn Jahre alt war und mit dem Kassettenrekorder aufgenommen habe. Ich habe ganz primitives Multitracking gemacht. Die Beatles haben das früher auch so gemacht. Meine Theorie ist ja: Wenn eine Melodie richtig gut war und für mich bestimmt, dann kommt sie auch wieder. Da ich mich an die Melodien mit sechs Jahren nicht mehr erinnere, waren die vielleicht nicht ganz so gut. Ich glaube, diese Theorie stimmt wirklich. Im Moment vertone ich gerade einen Film mit Christian Ulmen und das sind fast alles Songs, die ich vor sieben Jahren geschrieben habe. Und die kamen mir wieder in den Sinn. Jetzt passen die zu den Figuren in dem Film.

Sie können die alten Aufnahmen ja mal als Hidden-Track auf eine Platte machen.

Jundt: Ja, ich muss mal suchen. Früher wurde ja auch noch nicht alles so dokumentiert. Heute spricht man kaum etwas aus und schon ist es dokumentiert. Ich bin mal gespannt, wie sich das noch entwickelt. Wie wird das wohl sein, wenn von allen Leuten alles auf irgendeine Art und Weise festgehalten wird? Es ist immer alles gut und schlecht. Es hilft einfach, dass sich die Welt verändert und man neue Energie bekommt. Das ist schon okay.

Im Video-Clip zu „Wash Your Tighs“ essen Sie in drei Minuten einen Maiskolben. War Ihnen danach schlecht?

Jundt: Nein, ich habe sogar mehrere gegessen. Das Timing ist ja nicht schlecht. Ich meine, ich musste den Kolben so essen, dass ich am Ende springen konnte. Also ich hab da ein paar gegessen. War gut.

Was würden Sie denn dann für einen guten Video-Clip vielleicht nicht machen?

Jundt: Da gibt es Einiges. Andere Dinge essen, zum Beispiel. Man muss nicht alles machen, für ein Video – aber im Film ist ja eh alles gefaket.

Dann war es wohl auch kein echter Maiskolben.

Jundt: Doch! Und die waren alle lecker. Mehr Maiskolben. Der Maiskolben des Lebens.