Benno Fürmann: „Beim spontanen Antrag ist ein ‚Nein‘ nicht ganz so schlimm“
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Band Session im Proberaum
Schauspieler Benno Fürmann hat auf dem Filmfest München seinen neuen Film "Nachthelle" vorgestellt. Darin ist unter anderem ein ziemlich spontaner Hochzeitsantrag zu sehen. Was Fürman davon hält, hat er im Interview verraten. Erklärt hat er aber auch, was er von der These hält, Homosexualität stecke in jedem Mann.
„Nachthelle“ heißt der Diplomfilm von Florian Gottschick an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg, der beim Filmfest München Premiere feierte. Für eine der vier Rollen des Ensemble-Streifens, der zwischen Drama und Mysterythriller pendelt, hat der gebürtige Hesse den erfahrenen Benno Fürmann (42, „Der blinde Fleck“) begeistern können. Welchen Unterschied es macht, ob man mit alten Hasen oder mit Branchenneulingen dreht, erklärt der vielfach preisgekrönte Berliner Schauspieler im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Außerdem verrät er seine ganz persönliche Einstellung zu Hochzeitsanträgen und zu der These „Homosexualität steckt in jedem Mann“, die der Film unter anderem thematisiert.
Ihr neuer Film „Nachthelle“, der auf dem Filmfest München Premiere gefeiert hat, ist der Abschlussfilm von Florian Gottschick. Was ist das Besondere an der Arbeit mit einem relativen Filmneuling?
Benno Fürmann: Kein Geld, kein Wohnmobil und Essen nur zu festgelegten Zeiten (lacht). Das Tolle sind die engagierten Menschen, die entweder schon sehr professionell sind oder unheimlich wissbegierig und enthusiastisch. Das ist eine gute Energie, wenn’s auch manchmal anstrengend ist und teilweise ein bisschen länger dauert, weil alles noch nicht so ineinander verzahnt ist wie bei Leuten, die das seit 20 Jahren machen.
Die Landschaft im Film ist wild, verwunschen und extrem faszinierend. Wo haben Sie gedreht?
Fürmann: In der Lausitz. Politisch gesehen ist das, was dort passiert, allerdings ein Skandal: Wir proklamieren die Energiewende und was wird gemacht? Ganze Dörfer, die dank Solar-, Biomasse- und Wind-Technologie eigentlich energieautark sind, müssen in der Lausitz dem Tagebau weichen. Die gibt es dann einfach nicht mehr, nur damit wir die Kohle, eine der umweltschädlichsten Energieerzeugungsmethoden, die eigentlich in ein anderes Jahrhundert gehört, nutzen können. Absurder geht’s nicht.
Unter anderem erfährt man im Film auch, dass es in der DDR offiziell keine Selbstmorde gab. Wussten Sie das?
Fürmann: Nein, das wusste ich vorher nicht. Ich wusste aber, dass in der Sowjetunion unter Stalin Morde vertuscht worden sind, weil das bedeutet hätte, dass es Psychopathen in der Gesellschaft gibt. Die durfte es offiziell aber nicht geben. Gleiches galt für Selbstmorde in der DDR.
Selbstmorde lösen immer Schuldgefühle aus. Wie kann man mit Schuldgefühlen umgehen?
Fürmann: Reden und eingebettet sein in eine Gesellschaft, in der sich die Menschen füreinander interessieren, hilft, so viel ist klar. Im Film wird dagegen gezeigt, was passiert, wenn man mit einem Rückzug in sich selbst reagiert. Das führt eher zu einer Verfestigung des Problems, nicht zur Verarbeitung. An „Augen zu und durch“ glaube ich in bestimmten Lebensphasen, andere Sachen wollen aber erlebt und verarbeitet werden. Erst dann kann die nächste Tür aufgehen.
Wie wichtig sind Ihnen alte Freundschaften?
Fürmann: Sehr wichtig! Die muss man pflegen. Ich finde es toll, mit Menschen älter zu werden und zu sehen, wie sich Schrulligkeiten und charakterliche Eigenheiten entwickeln. Man wird nachsichtiger und geht liebevoller mit Freundschaften um, ist meine Erfahrung.
In „Nachthelle“ spielen Sie Bernd, einen schwulen Mann, der vor vielen Jahren mit einer Frau (Anna gespielt von Anna Grisebach) zusammen war. Was halten Sie denn von der These, dass Homosexualität in jedem Mann steckt?
Fürmann: Die habe ich schon immer für eine Mär von homosexuellen Männern gehalten. Als Jugendlicher habe ich es ab und zu erlebt, dass mir homosexuelle Kumpel einreden wollten, dass man bloß nicht offen genug sei. Das glaube ich nicht, vielleicht kommt es aber darauf an, wie man Homosexualität definiert. Ich umarme meine Freunde gern oder gebe ihnen zur Begrüßung auch einen Kuss auf die Wange. Das reicht mir aber, darüber hinaus habe ich keine Bedürfnisse.
Welche Rolle spielen Konventionen in diesem Zusammenhang für Sie?
Fürmann: Ich halte mich für einen relativ neugierigen Menschen. Wäre die Homosexualität in jedem von uns verankert, wäre ich wohl schon mit größeren Schritten darauf zugegangen. So wichtig sind mir Konventionen nicht.
Sie lehnen den Gedanken aber nicht rundweg ab.
Fürmann: Was ich sehr interessant daran finde, ist die Tatsache, dass wir frei genug sind, dieses Thema überhaupt diskutieren zu können. Das empfinde ich als Geschenk unserer Zeit. An den meisten anderen Orten auf dieser Welt ist das ja immer noch nicht so. Insofern ist diese These im Idealfall ein Aufruf, in mich zu gehen und zu spüren, wie ich mich wirklich fühle.
Es gibt auch Menschen, die Männer und Frauen gleichermaßen lieben können.
Fürmann: Ja, die kenne ich auch. Wobei das die wenigstens sind, obwohl es am ehrlichsten wäre, weil es dann wirklich nur um das Wesen geht. Das ist ein offenes Herz.
Können Sie sich vorstellen, dass es etwas weniger schmerzt, wenn ein Mann wegen einer anderen Frau von seiner Frau verlassen wird?
Fürmann: Verlassenwerden ist immer schlimm. Und man könnte es natürlich auch so sehen: Wenn mich eine Frau wegen einer anderen Frau verlässt, dann verlässt sie ja quasi mein ganzes Geschlecht. Ich habe es aber noch nicht erlebt und möchte es auch nicht so gern erleben.
Im Film gibt es einen fast schon beiläufigen Hochzeitsantrag. Wie aufwendig sollte ein Antrag nach Ihrem Geschmack sein?
Fürmann: Den Ring kaufen, dann wochenlang warten, um den richtigen Moment zu manipulieren, das wäre nicht mein Weg. Es kann aber auch toll sein, zumindest wenn die Antwort passt. Bei einem spontanen „Willst du mich heiraten?“ ist ein „Nein“ vielleicht nicht ganz so schlimm, als wenn du dich vier Wochen lang vorbereitest und dir dann ein „Nein“ abholst.