Andreas Dorau: „Ich würde die Straßenseite wechseln, wenn die ankommen“

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Andreas Dorau: „Ich würde die Straßenseite wechseln, wenn die ankommen“

Vor 33 Jahren hat sich Andreas Dorau mit "Fred vom Jupiter" ins kollektive Gedächtnis geträllert. Gerade ist er 50 geworden, der Neuen Deutschen Welle längst erfolgreich entflohen - und noch lange nicht versöhnlich gestimmt. Wer ihm die "NDW" vergällte und warum er die Songs der Münchner Freiheit schätzt, verrät er spot on news.

Um 33 Jahre lang im Musikbusiness zu bleiben und dabei trotzdem stets spannend – dazu braucht es schon einiges. Zum Beispiel: Brüche. Zwischen hüpfend leichten Pop-Tunes und widerborstig-eingängigen Texten zum Beispiel. Und mit der eigenen musikalischen Biographie. Auf die Art ist das Kunststück jedenfalls Andreas Dorau gelungen: 1981 hat sich der Hamburger mit „Fred vom Jupiter“ einen Platz im Neue-Deutsche-Welle-Olymp ersungen. Ist dann aus dem Mode-Genre geflohen. Hat sich 1996 mit „Girls in Love“ einen Platz in den französischen Top Ten erspielt und ließ dazwischen das Telefon ohrwurmwirksam „Du“ sagen.

Jetzt ist Andreas Dorau 50 Jahre alt geworden. Das feiert er nebst dem neuen Album „Aus der Bibliothèque“ auch mit einem Best Of, seiner „Retrospektive“. Milde wird sein Blick aber auch in der Rückschau nicht: Denn im Musikbusiness gibt es auch Jahrzehnte nach dem Phänomen „NDW“ noch so einige Leute, die er lieber nicht treffen würde. Drahtig und rastlos wie eh und je klingt Dorau am Telefon ohnehin – den Anruf der Nachrichtenagentur spot on news nimmt er nach nur einem Klingeln entgegen. Er zündet sich „noch schnell eine Zigarette“ an. Und erklärt dann bereitwillig, wer ihm die Neue Deutsche Welle vergällt hat, was er als ausgewiesener Musik-Avantgardist an den Songs der Münchner Freiheit schätzt – und warum allem Branchen-Gejammer zum Trotz jeder ein Album aufnehmen können sollte.

Herr Dorau, gerade haben Sie Ihre „Retrospektive“ herausgebracht. Eigentlich könnte man sich da ganz klassisch ein chronologisch sortiertes Best Of vorstellen. Auf der CD erscheinen die Songs aber ungeordnet… War das eine bewusste Entscheidung?

Andreas Dorau: Nein. Das war etwas, das ich eigentlich nicht haben wollte. Als ich gefragt wurde, ob ich an der Retrospektive mitarbeiten würde, habe ich gesagt: „Ok, aber ich mache nur mit, wenn ‚Fred vom Jupiter‘ nicht drauf ist!“ Später habe ich es mir anders überlegt. Aber was ich wirklich nicht wollte, war, dass es mit „Fred vom Jupiter“ losgeht. Genau das wäre aber passiert, wenn ich die Songs chronologisch sortiert hätte. Deswegen habe ich es gemischt.

„Fred vom Jupiter“ haftet Ihnen natürlich trotzdem an. Wie blicken Sie denn auf die Zeit der Neuen Deutschen Welle zurück – oder grenzen sich von ihr ab?

Dorau: Das Wort „Neue Deutsche Welle“ habe ich als 15-Jähriger in der Zeitschrift „Sounds“ zum ersten Mal gelesen, weil ich mich für diese Avantgarde-Musik interessierte. Und „Fred vom Jupiter“ ist Neue Deutsche Welle, klar! Aber ich habe dann aufgehört, Musik zu machen, weil Lieschen Müllers auf mich zukamen und fragten: „Du sag mal, kennst du auch Hubert Kah und Fräulein Menke?“ Und ich antwortete: „Nee, ich kenne die nicht, ich möchte die auch nicht kennenlernen und ich würde auch die Straßenseite wechseln, wenn die ankommen!“ Auf so etwas hatte ich keine Lust.

Gibt es denn überhaupt noch Kontakt zu anderen Protagonisten aus dieser Zeit?

Dorau: Also auf meinen Geburtstagskonzerten spielt zum Beispiel Der Plan. Ich kenne noch ein paar Leute aus der Zeit, als ich angefangen habe, Musik zu machen. Aber ich bin schlecht im Freundschaftenpflegen.

Ihre Rückschau trägt zusätzlich auch den Titel „Hauptsache ich!“ – deutet das auf einen gewissen Narzissmus, den man als Solokünstler braucht?

Dorau: Ich bin zwar eitel… Aber man kann es schon auch als kleine Kritik an anderen Künstlern sehen. Und dann beinhaltet so eine „Retrospektive“ ja auch eine Überhöhung – und die wollte ich brechen.

Zwischenzeitlich sah es ja auch gar nicht danach aus, als würden sie dem Musikgeschäft mehr als 30 Jahre treu bleiben. Warum haben Sie denn nach ihrer Pause wieder angefangen, Musik zu machen?

Dorau: Es gab verschiedene Gründe. Zum Teil war es Musik, die ich gehört hatte und zu der ich mich musikalisch äußern wollte. Auf jeden Fall musste ich glücklicherweise nie eine Platte machen, weil ich Geld gebraucht hätte. Dieser Kelch ist an mir vorübergegangen.

Ohnehin wird oft gejammert, wie hart das Musikgeschäft in den vergangenen Jahren geworden ist. Können Sie das nachvollziehen?

Dorau: Ich entstamme einer Generation, die für die Demokratisierung der Mittel war – so will ich das mal sagen. Mich hat am Anfang weitaus mehr interessiert, eine Platte rauszubringen, als der Inhalt der Platte. Früher gab es die Plattenfirmen, da saßen ein paar Mächtige und haben gesagt „du darfst, du darfst nicht“. Wenn sich jetzt Leute darüber beschweren, dass zu viele Alben rauskommen und Hinz und Kunz eine Platte machen können… ich bin der letzte, der irgendjemandem verbietet, eine Platte zu machen! Ob ich die Ergebnisse gut finde, ist eine andere Frage. Aber, bitteschön, jeder hat das gleiche Recht wie ich!

Apropos Ergebnis: Es ist zu lesen, Sie mögen die Musik der Münchner Freiheit. Ein bisschen überraschend, für einen experimentierfreudigen Künstler.

Dorau: Ich möchte diese Leute nicht persönlich kennenlernen. Aber ihre Stücke finde ich faszinierend! Münchner Freiheit ist zwar dreihundertprozentig Schlager, aber musikalisch schon irgendwie Pop. Ich würde mich aber nie an sowas versuchen.

Auch eine Art Brechung, wie Sie sie mögen?

Dorau: Ob ich diesen Typen eine Brechung zutraue… ehrlich gesagt nicht. Ich würde mal sagen, das sind Pop-Fans und schlechte Texter. Aber bei dem Kitsch stören dann diese überhöhten Worte auch nicht! Da hört man ja nur Engelein singen, diese pathetischen Worte stören dann da nicht. Ich würde sie allerdings selbst nicht in den Mund nehmen, wie gesagt.

Werden Sie denn selbst noch einmal neue Worte schreiben? Oder ist die Retrospektive ein Endpunkt?

Dorau: Es erscheint ja gleichzeitig auch eine neue Platte. Und das war mir wichtig, damit es nicht als Endpunkt wirkt! Ich wollte nicht mal eine Zwischenbilanz haben.