Alt-J: „Groupies sind uns zu stressig“

Magazin

Alt-J: „Groupies sind uns zu stressig“

Alt-J sind die normalste Band der Welt. Und obwohl sich 2012 vom Mercury Prize bis zu den Brit Awards alle auf die Kunststudenten-Combo einigen konnten, möchten sie auch so bleiben. Im Interview verraten sie, wie es sich so lebt, als Normalo im Musikbusiness.

Sie wollen einfach nur spielen: 2012 lieferte eine Kunststudenten-Combo aus dem Nichts die modernste Version aktueller Musikströmungen auf einem Album. Auf „An Awesome Wave“ von Alt-J spielte fortschrittlicher Indie-Folk die Hauptrolle, umgarnt von Glöckchen und verspieltem Schlagzeug, mitreißend und virtuos vorgetragen und so bisher noch nie gehört. Das gefiel nicht nur Hipstern und Kritikern, sondern überzeugte auch den gemeinen Radiohörer, Singles wie „Breezeblock“ oder „Mathilda“ waren der Konsens.

Doch auch wenn ihre Musik vermutlich das Album ist, für das sich der moderne Apple-User vermutlich extra ein iPhone kaufen würde, sind die Jungs dahinter der Inbegriff der Normalität. Keine Bühnenshow, keine Kostüme, keine extrovertierten Interviews, keine Drogen, keine Skandale, nicht mal eine kleine Affäre mit einem Z-Promi – absolut Schlagzeilenfreie Zone. Der 2012 zeitgleich mit Alt-J aufkeimende Begriff des „Normcore“ brachte es auf den Punkt: Alt-J sind hardcore normal. Dieser Eindruck manifestiert sich im persönlichen Gespräch mit Schlagzeuger Tom Green.

Die Mercury-Prize-Nominierung? „Haben wir im Starbucks mitbekommen.“ Das Schlimmste, was bisher über sie geschrieben wurde? „Dass wir uns mit Radiohead verglichen hätten. Wie furchtbar, wir sind riesige Radiohead-Fans.“ Was sie vom Hipster-, Nerd- und Normcore-Trend halten? „Ich versteh diese ganzen kulturellen Dinge nicht.“ Ob sie vor einem Auftritt trinken? „Niemals.“ Was ist mit Groupies? „Wir lassen normalerweise niemanden in den Umkleideraum, das ist uns zu stressig…“

Sympathisch langweilig für eine der erfolgreichsten Bands der letzten zwei Jahre. Doch mit dem Durchbruch änderte sich auch das Leben der vier Briten. Keyboarder Gwil wurde klar, dass er lieber „normal“ bleiben würde. Im Januar 2014 stieg er aus. „Im einem Moment waren wir Studenten und im nächsten tourten wir um die Welt. Für Gwil war das ziemlich hart. Er ist eine eher ruhige Person, die gerne zuhause ist und ihre Routine hat. Also entschied er sich zu gehen“, erklärt Tom den Ausstieg.

Die Band macht nun als Trio weiter, eine Trennung kam nach kurzer Überlegung nicht in Frage, wie Tom erzählt. „Der Ausstieg von Gwil hat uns andere auch zum Grübeln gebracht – und letztendlich bewusst gemacht, dass wir das mit der Musik wirklich machen wollen.“ Während für Gwil das Touren ein Ausstiegsgrund war, half es Tom: „Durch das Touren bin ich viel selbstsicherer geworden, weil ich ständig mit fremden Leuten in Kontakt treten muss. Das hat mich als Person wirklich weitergebracht.“

Der „Guardian“ brachte es auf den Punkt: Alt-J haben den Indie-Traum geschafft, Erfolg ohne Bekanntheit. Noch heute werden sie fast nie auf der Straße angesprochen. Und finden das ziemlich cool: „Die Leute wissen nicht wie wir aussehen, weil wir auf keinen Postern sind und in keinen Musikvideos. Wir finden es super, dass wir immer noch zusammen feiern gehen können, ohne ständig angesprochen zu werden“, so Tom.

So normal die Protagonisten, so ungewöhnlich die Musik. Es gibt heutzutage kaum Bands, die einen eigenen Sound für sich erfunden haben. Alt-J haben genau das getan. Auf dem zweiten Album „This Is All Yours“, das diesen Freitag erscheint, verstärken sie ihre Liebe zum Glockenspiel und mystischen, keltischen Soundsymbolen, zu ungewöhnlichen Songstrukturen, kunstvollen Wendungen. Und bleiben gleichzeitig zugänglich und federleicht – vermutlich ihr größtes Geheimnis. Die großen Hits bleiben diesmal aus, dafür überraschen Alt-J mit einer ruhigeren zweiten Hälfte, auf der sie schwerelose Schwermut und euphorisierende Melancholie erschaffen. Alt-J, ganz normale Genies eben.