Sven Regener: „Ich gehe niemals davon aus, dass ich das hier machen muss“

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Sven Regener: „Ich gehe niemals davon aus, dass ich das hier machen muss“

Die deutsche Sprache kann ein pathetisches Biest sein, will man Kunst aus ihr machen. Aber Sven Regener hat sie im Griff. Er schreibt Bestseller-Romane - und seit bald 30 Jahren widerborstige Pop-Meisterwerke zum Sound seiner Band Element of Crime. Wie man so lange zusammen und kreativ bleibt, hat er spot on news erklärt: Hauptsache "alles freiwillig"!

Gewusst wie: Es ist ein sonniger Spätseptember-Mittag, durch die Straßen um Münchens Hauptbahnhof schieben sich taumelnd Heerscharen von Oktoberfestbesuchern. Aber Sven Regener (53) und Jakob Ilja (55), seit bald 30 Jahren Stimme und Gitarre von Element of Crime, sitzen ganz entspannt im hinteren Eck des kleinen Café Kosmos, unter einer alten Metallwendeltreppe. Bei Kaffee und Wasser, und von Trubel und Hektik keine Spur. Ein passendes Setting für ein Treffen mit einer von Deutschlands ausgefallensten Popbands: Draußen braust es, und drinnen hat es seinen eigenen Takt. So haben sich Element of Crime auch ganz langsam an die Spitze der Albumcharts gespielt. Am Freitag erscheint Element of Crimes dreizehntes Album „Lieblingsfarben und Tiere“. Die beiden Vorgänger brachten der Band goldene Schallplatten ein.

„Nur Zufall“ sei das mit dem Oktoberfest, sagt Regener dann beim Gespräch mit der Nachrichtenagentur spot on news. „Wenn es kein Zufall wäre, hätten wir auch darauf bestanden in so einem Zelt zu spielen“, scherzt der Songschreiber. Tatsächlich spielen Element of Crime an diesem Abend im Funkhaus des Bayerischen Rundfunks. Und zwar zu dritt: Drummer Richard Pappik war unlängst hinter der Bühne ausgerechnet über einen Blumenkübel gestürzt und hatte sich die Bänder im rechten Fußgelenk gerissen. So spielte die Band mit einem Mann weniger, „undrummed“, wie Regener sagt.

Einen – wie auch immer kurzfristigen – Ersatz wollen Element of Crime für verletzte Bandmitglieder nämlich nicht. Auch, wenn das für eine erfolgreiche Band sicher möglich wäre. „Ach, das wäre doch Verrat!“, ruft Regener und Ilja lächelt. Der Gitarrist berichtet, wie die Band einst aus Krankheitsgründen auf ihn verzichten musste – und ebenfalls zu dritt spielte. Und das ist, so ganz nebenbei, ein netter Einblick in das Bandgefüge Element of Crimes. Denn eigentlich, so hat es Regener kurz zuvor erklärt, sind „Nähe und Distanz“ der Schlüssel, um zusammen auf Dauer kreativ sein zu können. Auch wenn das popmusikalische Klischee etwas anderes sagt.

„Nähe und Distanz“ – ein Einblick ins Bandgefüge

„Man muss auch sehen: Das Bild so einer Band ist kulturindustriell geprägt: So wie die Beatles in den Filmen, vier Leute mit den gleichen Frisuren, die sich ein Gehirn teilen, so hat man das doch gesehen!“, meint der Sänger und Autor („Herr Lehmann“). „Wie bei Enid Blyton, ‚vier Freunde‘, oder so.“ Dabei sei das alles etwas anders. „Wir sind vier Hauptakteure und vier sehr unterschiedliche Charaktere“, sagt Regener. „Zusammen Sommerurlaub und so, das ist ja auch eine sehr naive Vorstellung von Künstlern“, wirft Ilja ein: „Das ist ja keine Eheschließung.“

„Wir haben nie so das enge Ding gehabt am Anfang, dass wir das gleiche getan und uns eine Wohnung geteilt hätten – und deswegen musste sich nie jemand so in seiner Individualität behaupten, dass er gar nicht anders konnte, als zu gehen. Ist zwar ein bisschen langweilig, aber so ist es“, sagt Regener in seinem leicht schnoddrigen norddeutschen Tonfall. Überdies beruhe Element of Crime vor allem auf einem: Freiwilligkeit. „Das ist, glaub ich, dieses Wissen, dass man sagt ‚ich gehe niemals davon aus, dass ich das hier machen muss‘. Wir machen es immer, weil es Spaß macht – und wenn es mal keinen Spaß macht, dann halten wir das offen“, meint Regener. Ilja sagt: „Dass wir uns nach einem Album wieder treffen, könnte auch zehn Jahre dauern oder gar nicht mehr passieren und wir würden kein Brimborium samt Auflösungsmeldungen und Comeback mit großem Täterää machen.“

Sorgen machen müssen sich die Fans der Band aber wohl nicht. Zum einen gibt es da eben gerade „Lieblingsfarben und Tiere“, das neue Album im element-of-crime’schen Klangkosmos, das die Band eine Weile beschäftigen wird. Zum anderen ist da immer noch Hunger nach mehr Musik. „Man spielt die alten Songs bis sie sie aufgebraucht sind. Und dann sagt man ’so, jetzt ist es wieder Zeit'“, meint Ilja. „Es geht um die Lieder, darauf liegt der Fokus. Das ist auch das, was ich höre in der Musik, auch nach Jahrzehnten. Das ist eigentlich ganz toll: Das ist größer als man selbst, und das gilt eigentlich für alle Bands, glaube ich. Was auch immer war, wir können zusammen spielen und das ist das Wahre.“ Wieder zusammenkommen und einen Song entstehen lassen – das sei „wie ein Wunder“, „ein wunderbarer Moment“.

„Man hat das Gefühl, es könnte gar nicht anders sein“

Den, so klingt es, derzeit keiner in der Band missen will – und dann wissen Regener und Ilja, die schon vor Element of Crimes wilden Berliner Anfangstagen zusammen in der Funkband Neue Liebe zusammen musizierten, natürlich auch, was sie aneinander haben. Ilja schwärmt vom neuen Song „Schwert, Schild und Fahrrad“ und seinem Text. „Das löst sich von der Liebesgeschichte, die es haben mag – das hat was Universelles!“.

Und Regener, der erfahrene Sprachzauberer, sagt nach kurzem Überlegen, natürlich beeinflusse der Sound seiner Mitstreiter sein Songtexteschreiben: „Die Musik hat einen unglaublichen Einfluss auf die Texte. Viel mehr als man denkt. Das ist ein guter Moment, wenn das zusammenkommt. Da hat man das Gefühl: ‚Das kann ja gar nicht anders sein.'“