„Die Schöne und das Biest“: Schickes Stockholm-Syndrom-Märchen

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„Die Schöne und das Biest“: Schickes Stockholm-Syndrom-Märchen

Es war einmal... eine Märchenverfilmung von "Die Schöne und das Biest", die am 1. Mai in die deutschen Kinosäle kam. An der Seite von Vincent Cassel spielten Darstellerinnen wie Léa Seydoux und Yvonne Catterfeld. Doch konnte der Film überzeugen?

Kitschig? Ja. Teils arg übertrieben? Mit Sicherheit! Und trotzdem kann Christophe Gans‘ Nacherzählung von „Die Schöne und das Biest“ – läuft ab 1. Mai in den Kinos – als größtenteils gelungenes Leinwand-Märchen bezeichnet werden. Der Regisseur nimmt sich dem alten französischen Volksmärchen an vielen Stellen in recht reiner Form an und spinnt die Vorlage nur hie und da ein wenig weiter.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird ein städtischer Kaufmann (André Dussollier, 68) dazu gezwungen, aufs Land zu ziehen – nachdem seine kleine Handelsflotte untergegangen ist. Zusammen mit seinen sechs Kindern bezieht er einen kleinen Bauernhof. Eines Tages stößt der Alte auf ein überwuchertes Schloss, das auf den ersten Blick unbewohnt scheint. Für seine jüngste Tochter Belle (Léa Seydoux, 28) pflückt der Mann eine Rose und wird wegen des Diebstahls von dem dort lebenden Monstrum (Vincent Cassel, 47) zum Tode verurteilt.

Das Biest zeigt sich jedoch gütig und erlaubt dem Kaufmann, sich zuvor von seiner Familie zu verabschieden. Belle, die sich verantwortlich fühlt, will sich an Stelle ihres Vaters aufopfern und reitet in Richtung Schloss. Dort angekommen erwartet sie jedoch nicht der angenommene Tod, sondern ein Leben in Gefangenschaft. Unverhofft verliebt sich Belle in das Biest. In mehreren Rückblick-Szenen, in denen Yvonne Catterfeld (34, „Sputnik“) die Rolle der Prinzessin einnimmt, erklärt Regisseur Gans zudem, wie es zu dem jetzigen Dasein des Untieres kam.

Wohltuend ist dabei vor allem, dass die Nacherzählung zwar an vielen Stellen vor Kitsch nur so trieft, aber nie die bonbonbunte Ausgelassenheit der weltberühmten Disney-Vertrickfilmung von 1991 erreicht. Die grundlegende Atmosphäre gibt sich sehr viel düsterer, so wie man es von dem Franzosen nach Filmen wie „Silent Hill“ und „Pakt der Wölfe“ eigentlich erwarten konnte. Gleichzeitig bedient Gans ein gewohnt breites Publikum, macht also kein Arthouse-Kino oder dergleichen, wie manch vorurteilsbehafteter Filmfan das bei der Herkunft von Geschichte und Regisseur vielleicht glauben mag. Das hier ist Hollywood, auch wenn die Schauspieler nicht Englisch sprechen, sondern die Sprache der Liebe.

Die Story plätschert an mancher Stelle vor sich hin, gibt sich aber größtenteils temporeich und dürfte trotz ihres finsteren Touches die gesamte Familie gut unterhalten. Pompöse Bilder – sei es nun das faszinierende Dunkel der Umgebung oder das Strahlen der prunkvollen Kleider – erzeugen teils eine Bildgewalt, wie man sie selten außerhalb der amerikanischen Traumfabrik sieht. Gerade der Gebrauch von Computereffekten ist überraschend stimmig umgesetzt, wirken die meisten CGI-Szenen doch bei weitem nicht so aufgesetzt, wie im Vorhinein befürchtet werden könnte.

Wer die Geschichte nicht kennt, der dürfte allerdings nur schwer nachvollziehen können, warum sich Belle in das Biest verliebt. Das liegt nicht an der schauspielerischen Leistung der größtenteils überzeugenden Darsteller, sondern am Tempo, das die finstere Mär mitunter vorlegt.

Es hätte besonders gut getan, noch mehr auf die Beziehungsentwicklung der jungen Frau und ihres tiergleichen Geiselnehmers einzugehen – die Hin- und Hergerissenheit der Belle zwischen deprimierender Gefangenschaft, überbordendem Luxus und ihren aufkeimenden Gefühlen für das Biest zu verdeutlichen. Darum ist es nicht unverständlich, wenn mancher die Leinwand-Fantasie vielleicht mit einem Augenrollen und dem lapidaren Ausdruck Stockholm-Syndrom-Märchen abtut – und die ein oder andere Szene vielleicht sogar für unfreiwillig komisch hält.

Trotzdem macht „Die Schöne und das Biest“ vieles besser als seine neuverfilmten Märchengeschwister. Denn trotz ihrer Schwächen ist Gans‘ Interpretation mit Sicherheit weit gehaltvoller als zum Beispiel die gruselige Haudrauf-Action „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ – mit Jeremy Renner (43) und Gemma Arterton (28) – aus dem vergangenen Jahr. Vielleicht ist das hier nicht gerade ein Film-Märchen aus „Tausendundeine Nacht“, ein Rattenfänger ist der Streifen aber auch nicht.