Joachim Witt: „Ich setze mich erst zur Ruhe, wenn ich im Sarg liege“

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Joachim Witt: „Ich setze mich erst zur Ruhe, wenn ich im Sarg liege“

Mit 65 Jahren gehört Joachim Witt zu den Veteranen des Musikbusiness. Es gibt kaum eine Erfahrung, die er in seiner Karriere nicht gemacht hat. Auch nach seinem neuen Album "Neumond" will der Musiker nicht ans Aufhören denken.

Musiker Joachim Witt (65) hat einige Meilensteile in der deutschen Musikgeschichte gesetzt, darunter etwa der NDW-Klassiker „Goldener Reiter“. Am heutigen Freitag veröffentlicht Witt sein vierzehntes Studioalbum „Neumond“. Die Melodien sind wie auf dem Vorgänger „Dom“ elektronisch angehaucht. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt der 65-Jährige, was ihm am Altern gefällt, von seinem gespaltenen Verhältnis zu Facebook und warum er die Sterbehilfe befürwortet.

Sie sind im Februar 65 Jahre alt geworden. Wie geht es Ihnen damit?

Joachim Witt: Ja, leider … Das Alter gefällt mir nicht, aber mein persönlicher Zustand gefällt mir sehr gut. Den finde ich besser als früher, weil ich den besseren Umgang mit dem Leben habe. Es gibt weniger Stressfaktoren und ich fühle mich dadurch sauwohl. Das Alter an sich macht mir immer ein bisschen Angst, weil die Perspektive nach vorne sich immer weiter verkürzt. Das ist natürlich kein schönes Gefühl, wenn man am Leben so hängt und das Leben so liebt.

Planen Sie, sich demnächst zur Ruhe zu setzen?

Joachim Witt: Ich setze mich erst zur Ruhe, wenn ich im Sarg liege. Ich mache so weiter, wie ich kann, bin nach wie vor so neugierig, wie ich immer war und werde die ein oder andere Überraschung noch liefern.

Wenn Sie heute alte Videos und Lieder von sich sehen oder anhören, müssen Sie dann manchmal schmunzeln?

Joachim Witt: Naja, das war damals einfach so. Das war die Zeit der reduzierten Darstellung. Das war die Maxime. Das war das Lebensgefühl. Später wurde der anfängliche Gedanke, ausdrucksstarke Musik zu machen, in Form von hohlem Schlager extrem verharmlost und verramscht.

Sie sind ein reger Facebook-Nutzer. War es eine große Umstellung für Sie, den Kontakt zu Fans auf das soziale Netzwerk zu verlagern?

Joachim Witt: Ich habe von jeher mit den ersten Computern Musik produziert. Mein ganzes Leben lang habe ich mich mit technischen Entwicklungen auseinandergesetzt und mich da auch immer weiter gebildet. So ist es auch bei den Medien. Facebook finde ich extrem wichtig – als Künstler, privat finde ich es nicht so wichtig. Twittermäßig bin ich allerdings nicht dabei. Das liegt daran, dass ich nicht jeden Schiss verbreiten muss. Aber die Technik war für mich noch nie ein wirkliches Problem.

Mit Ihrem Album „Dom“ von 2012 haben Sie für einen Skandal gesorgt. Denken Sie, dass „Neumond“ auch für Aufreger sorgen wird?

Joachim Witt: Nein. Hören Sie das Album durch, warum sollte es. Wir haben allerdings ein besonderes Video zu dem Lied „Mein Herz“ gedreht. Und zwar geht es dort um die innere Zerrissenheit einer Beziehung, nachdem ein unvorhergesehener Unfall den Partner plötzlich an den Rollstuhl fesselt. Viele assoziieren die Geschichte mit Sterbehilfe – was allerdings so nicht beabsichtigt war.

Wie stehen Sie zur Sterbehilfe?

Joachim Witt: Ich habe unter gewissen Voraussetzungen eine sehr positive Einstellung zur Sterbehilfe. Wenn man mit einem Menschen sehr eng ist und ihn sehr genau kennt, dann denke ich, ist es nur legitim, ihm zu helfen, wenn er nach dem Tod fragt. Ich denke, dass jedes Individuum das Recht hat, zu entscheiden, ob es leben will oder nicht.

Alte Fotografien in dem Video zeigen Sie und die Darstellerin im Rollstuhl. Kennen Sie sich schon länger?

Joachim Witt: Ja, Nadja Saeger ist eine langjährige Beziehung von mir, wir waren 14, 15 Jahre zusammen, bis wir uns zwar getrennt haben, aber diese Liebesbeziehung auf eine esoterische Ebene gehoben wurde. Ich kann das nicht anders beschreiben, weil diese Liebe nach wie vor besteht und die wird auch immer bestehen, bis uns der Tod trennt. Diese Bühnenfotos im Video zeigen sie und mich.