Iris Berben: „Ist die jüngere Frau auch die bessere Mutter?“

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Iris Berben: „Ist die jüngere Frau auch die bessere Mutter?“

Mit der Komödie "Miss Sixty" erreicht das Kinojahr seinen ersten Höhepunkt und das nicht nur weil sie zwei Ausnahmeschauspieler vereint, der Film könnte auch eine interessante Diskussion neu beleben. Welche genau, erklärt Hauptdarstellerin Iris Berben im Interview.

Luise (Iris Berben) ist beruflich ein Ass, aber menschlich eine Katastrophe. Keiner mag sie, kein Mann will sie, nur ihre Mutter freut sich über die langen gemeinsamen Fernsehabende. Luises Alltag gerät aus den Fugen, als sie vorzeitig in Rente geschickt wird. Auf dem Weg durch den Stadtpark muss sie einem Jogger erste Hilfe leisten: Der Galerist Frans (Edgar Selge), auch nicht mehr der Jüngste und offensichtlich dem Jugendwahn verfallen, hat einen Hexenschuss – der wilde Sex mit seiner blutjungen Assistentin Romy (Jördis Richter) tut ihm nicht nur gut… Ein toller Start in einen unterhaltsamen Kinoabend, zumal Iris Berben (63, „Der Wagner-Clan. Eine Familiengeschichte“) und Edgar Selge (66, „Poll“) den Schlagabtausch zwischen Frau und Mann erwartungsgemäß charmant und intelligent umsetzen.

Warum „Miss Sixty“ (Kinostart: 24.4.) aber nicht nur eine Komödie mit viel Leicht-, sondern auch mit unerwartetem Tiefsinn ist, erklärt die Hauptdarstellerin im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Und Tipps gegen das optische „Verschwinden“ älterer Frauen gibt die attraktive und emanzipierte Schauspielerin auch gleich noch dazu.

Ein Baby mit 60plus. Was halten Sie denn von dieser Idee des Films?

Iris Berben: Wie wir ja alle wissen, ist das inzwischen möglich. Wichtiger ist mir in diesem Zusammenhang aber die Frage nach dem „Warum so spät?“. Die bringt uns nämlich zu der Erkenntnis, dass viele Dinge in der Gleichberechtigung noch im Argen sind. Wenn sich Frauen heute erst spät dazu entschließen, Mutter zu werden, hat das oft viel damit zu tun, dass sie sich erst auf den Beruf und die Karriere konzentrieren. Warum geht denn aber nicht beides? Bei den Männer geht es doch auch.

Gibt es denn überhaupt den optimalen Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen?

Berben: Sicher nicht. Wie soll man auch eine Regel finden, wann dafür die beste Zeit ist? Soll mit 40 Schluss sein, mit 50 oder mit 60? Das ist so ein sensibles Thema, dass man es nur individuell beantworten kann. Vermutlich wird es mit 60plus eine Ausnahme bleiben, da wir aber inzwischen die Möglichkeit haben, ist es doch eine gute Diskussionsgrundlage – in unserem Fall einfach verpackt in einer Komödie. „Miss Sixty“ ist also ein Film mit Tiefsinn und Leichtsinn, was mir sehr gut gefällt.

Apropos Diskussion, wenn ältere Männer noch Vater werden, wird das Thema nicht so diskutiert. Warum ist die eine Variante akzeptiert und die andere noch nicht?

Berben: Den Frauen fehlt vielleicht so ein bisschen dieses Selbstbewusstsein, das Männer haben, die es normal finden, mit einer jüngeren Frau noch ein Kind zu bekommen. Die Gesellschaft hat das viele Jahre lang auch einfach toleriert – einschließlich der jungen Frauen, die dieses Modell ja mitleben. Fragen wie „Ist die jüngere Frau denn auch die bessere Mutter?“ werden dabei allerdings völlig ausgeblendet.

Der Film provoziert nicht nur eine interessante Diskussion, er tröstet auch Frauen, die sich den späten Wunsch, Mutter zu werden, nicht erfüllen können oder wollen.

Berben: Absolut, denn der Film zeigt ein paar Gründe für einen nicht erfüllten Kinderwunsch: Luise hätte 40 Jahre früher von zuhause ausziehen, sich nicht ausschließlich mit ihrem Beruf verbinden und sich nach einer enttäuschenden Affäre den Themen Liebe und Beziehung nicht komplett verschließen sollen. Die Erkenntnis, etwas verpasst oder nicht gelebt zu haben, kommt zwar sehr spät, dennoch ist sie bei dieser Figur sehr verständlich.

Diese Themen werden in dem Film zwar von der 1968er-Generation gespielt, sie betreffen aber vor allem auch viele Kinder dieser Generation.

Berben: Richtig. Das kann man darin erkennen, wenn man möchte. Die Autorin gehört tatsächlich auch eher der Kinder-Generation an.

Edgar Selge spielt den romantischen Helden Frans. Eine ungewöhnliche Besetzung. Was bedeutet es denn für einen Film, wenn man Rollen entgegen des Klischees besetzt?

Berben: Einmal ist es für den Schauspieler selbst die größere und schönere Aufgabe. Aber auch für den Zuschauer ist es wesentlich spannender und man schaut sich den Film sicher auch genauer an, weil es so unerwartet ist. Beim Film sollte man einfach alles ausnutzen, was andere Emotionen und eine andere Aufmerksamkeit ermöglicht. Und das passiert eben gerade, wenn man gegen einen Typen besetzt. Da könnten einige Filmemacher ruhig noch mutiger werden.

Die Komödie spielt auch viel mit Senioren-Klischees. Sie gehören zu den sehr attraktiven 60plus-Damen mit tollen Figuren und schicker Kleidung. Haben Sie einen Tipp für Frauen, die lieber Ihnen statt dem gängigen Image nacheifern wollen?

Berben: Früher sind Frauen in einem gewissen Alter einfach verschwunden, einerseits farblich, aber auch durch allzu praktische Kleidung und Kurzhaarfrisuren. Praktisch kann aber auch schön sein. Wer die Haare aus dem Gesicht haben will, kann sich einfach ein Band hineinbinden. Und auch bei der Kleidung ist es heute möglich, sich nicht betont jugendlich oder total trendy zu geben, dafür aber individuell zu kleiden – egal, welche Figur man hat, man muss sich nur finden.