„The Amazing Spider-Man: Rise of Electro“: Drama, Baby!

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„The Amazing Spider-Man: Rise of Electro“: Drama, Baby!

Dafür, dass Spider-Mans Abenteuer nun bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit erzählt werden, kam der erste Teil von Mark Webbs neuer Trilogie erstaunlich gut bei Fans und Kritikern an. "The Amazing Spider-Man: Rise of Electro" schafft es nun sogar, den Vorgänger in allen Belangen zu übertreffen.

Einen Superheldenfilm mit einem 45-minütigen Blues zu beginnen, ist durchaus gewagt. Zumal man Spider-Mans Probleme nach vier Filmen innerhalb von 12 Jahren ja langsam zur Genüge kennt. Auch in „The Amazing Spider-Man: Rise of Electro“, dem zweiten Teil der zweiten Trilogie, muss der spätpubertierende Spinnenmann den ewigen Konflikt zwischen den gewöhnlichen Verpflichtungen von Peter Parker (Andrew Garfield) und der außergewöhnlichen Verantwortung von Spider-Man ausfechten. Er würde ja gerne mit Gwen (Emma Stone) zusammen sein, blöderweise hat er deren Vater aber quasi auf dem Sterbebett versprochen, sich von der schönen Blondine fernzuhalten. Und so lieben sie sich, trennen sich, necken sich, lieben sich, trennen sich – und so weiter.

Auch das Superhelden-Dilemma ist nicht neu: Spider-Man kämpft gegen das Unrecht – Letzteres schläft aber bekanntlich nie, was bedeutet, dass auch Spidey selten zur Ruhe kommt und sich nach anfänglicher Euphorie eher genervt und gesundheitlich angeschlagen um New Yorks Verbrecher kümmert. Obwohl Regisseur Marc Webb kaum neue Erkenntnisse zu der hinlänglich bekannten Geschichte beizutragen hat, ist der Film erstaunlicherweise ganz wunderbar geworden.

Während sich Spider-Man zwischen Beziehungs-Chaos, Superhelden-Verpflichtungen und der Suche nach dem Verbleib der Eltern aufzureiben droht, braut sich beim Megakonzern Oscorp mal wieder Unheil zusammen. Der von seinen Kollegen als Fußabtreter missbrauchte Mitarbeiter Matt Dillon (Jamie Foxx) mutiert nach einem Arbeitsunfall mit Labor-Aalen zum unter Strom stehenden Electro. Wütend und unfähig seine Energie zu kontrollieren, legt er kurzerhand den ganzen Times Square in Schutt und Asche. Währenddessen bekommt Osborn-Spross Harry (Dane DeHaan) von seinem sterbenden Vater mitgeteilt, dass er dessen tödliche Krankheit geerbt hat. Nur das Blut von Spider-Man verspricht Heilung. Und dann wäre da auch noch ein wahnsinniger Russe (Paul Giamatti) in einem Nashorn-Panzer…

Optisch ist „The Amazing Spider-Man: Rise of Electro“ über jeden Zweifel erhaben. Nie zuvor hat sich der Held im blau-roten Latexanzug eindrucksvoller durch die Häuserschluchten Manhattans geschwungen. Und Electro ist charakterlich vielleicht ein bisschen grob gezeichnet, gehört aber definitiv zu den faszinierendsten Schurken der letzten Zeit. Dementsprechend beeindruckend fallen die Kämpfe aus: Der Eine verschießt leuchtend blaue Blitze, der Andere ballert mit seinem Spinnennetz zurück. Es knallt, donnert und scheppert, wobei die Bilder dankenswerter Weise nie so schnell geschnitten sind, dass man als Zuschauer den Überblick zu verlieren droht. Unterlegt wird das Dargebotene von einem stimmigen Soundtrack. Hans Zimmers drohende Orchesterwand trifft auf die Leichtigkeit von Pharrell Williams – schon klar, dass dabei kein Unfug herauskommt.

Im Gegensatz zu vielen Genre-Konkurrenten wird hier nicht nur etwas für’s Auge geboten. Mag die Liebelei zwischen Peter Parker und seiner Gwen manchmal auch abgedroschen und vor Schmalz triefend sein, so nimmt man den beiden ihre jugendliche Verliebtheit, die Schmetterlinge im Bauch und die Sorge umeinander ab. Emma Stone ist mehr als „die Frau an seiner Seite“, die es zu erretten gilt. Sie ist emanzipierter, eigenständiger und als Charakter auch interessanter, als es Kirsten Dunsts Mary Jane in Sam Raimis „Spider-Man“-Trilogie war. Wenn wir schon beim Vergleich sind: Dem ungelenken Andrew Garfield passt das Spinnenkostüm einen Tick besser als seinem Vorgänger Tobey Maguire.

Zwischen all der Bombast-Action und einem überzeugenden Liebes-Drama sorgen einfache aber dennoch zündende Slapstick-Einlagen dafür, dass die 140 Minuten schön zügig dahinrauschen. Schon mal darüber nachgedacht, wie schwer es ist, sich aus einem hautengen Kostüm zu pellen? Oder dass selbiges von Zeit zu Zeit auch gewaschen werden muss? Überhaupt gelingt es den Drehbuchautoren Alex Kurtzman, Roberto Orci und Jeff Pinkner (u.a. „Star Trek Into Darkness“), das Erzähltempo konsequent hoch zu halten, ohne dabei die Charakterentwicklung zu vernachlässigen.

Fazit: „The Amazing Spider-Man: Rise of Electro“ definiert das Genre-Kino nicht neu, macht aber bei der Kombination der bewährten Zutaten fast alles richtig: Die Schauspieler überzeugen durch die Bank, die Effekte schmeicheln den Augen, die Story ist (für Comic-Verhältnisse) schlüssig, flott, abwechslungsreich und pointiert erzählt. Und selbst die unvermeidliche Liebesgeschichte ist endlich mal nicht nur effekthascherische Augenwischerei, sondern gekonntes Drama.