Irie Révoltés: Fröhlich bis zum bitteren Ende

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Irie Révoltés: Fröhlich bis zum bitteren Ende

Seit 15 Jahren stehen die Irie Révoltés für energiegeladene Musik und schweißtreibende Liveshows, aber auch für den unermüdlichen Kampf für eine bessere Welt. Warum in Zeiten von Pegida und Co. beides gleichermaßen wichtig ist, erklärt die Band im Interview.

Mit ihrem Mix aus Reggae, Hip-Hop und Punk sind die Irie Révoltés wie geschaffen für die Open-Air-Bühnen. Die Veröffentlichung ihres fünften, schlicht „Irie Révoltés“ betitelten Albums fiel passenderweise auf die Festivals Hurricane und Southside, wo die neunköpfige Band um die Brüder Mal Élevé und Carlito wieder von tausenden Fans gefeiert wurde. Doch Party ist nicht alles, wie der Bandname, der übersetzt so viel wie „fröhliche Aufständische“ bedeutet, schon aussagt. Genauso wichtig ist den Irie Révoltés ihr politisches Engagement, das sie etwa mit Auftritten auf Demos und Hilfsprojekten wie „Rollis für Afrika“ und „Viva con Agua“ pflegen. Was Deutschland von Senegal lernen kann und warum Pegida und Co. keine Chance haben, erzählen Mal Élevé und Carlito der Nachrichtenagentur spot on news im Interview.

Worin unterscheidet sich das Album „Irie Révoltés“ aus Ihrer Sicht von seinen Vorgängern?

Carlito: Wir wollten mehr in Richtung Dancehall gehen, die Drums haben eine größere Gewichtung bekommen. Bei „Allez“ standen grob heruntergebrochen eher die E-Gitarren im Vordergrund. Wir wollten ein tanzbareres, clubbigeres Album mit mehr Druck haben. Das ganze Musikkonzept geht fast wieder Richtung „Mouvement Mondial“ und ist trotzdem irgendwie anders. Es ist ein bisschen die Zusammenfassung der letzten 15 Jahre mit den neuen Ideen, die wir darin haben wollten.

Viele linke Musiker wirken angesichts des Rechtsrucks in der Gesellschaft zunehmend frustriert. Wo nehmen Sie die Kraft her, an Ihrer Idee der „fröhlichen Aufständischen“ festzuhalten?

Mal Élevé: Wir halten bis zum bitteren Ende daran fest. Wir glauben daran und sind natürlich alle Utopisten, sonst würden wir das Ganze nicht machen. Wir sind auch auf jeden Fall ein bisschen wütender auf dem Album. Als wir im Studio waren, haben wir gehört, dass 30.000 Leute bei Pegida mitmarschieren und so weiter, das hat uns natürlich alle sehr geladen. Trotzdem wollen wir die positive Energie nicht aufgeben. Sie ist das, was uns die ganze Zeit motiviert hat und weiter motivieren wird und dieses Kämpfen auf lange Sicht überhaupt nur am Leben erhält.

Glauben Sie, dass der in „Ruhe vor dem Sturm“ besungene Sturm bald aufzieht? Wie wird dieser Sturm aussehen?

Mal Élevé: Idealerweise zieht er auf und idealerweise ist er natürlich emanzipatorisch und solidarisch und für eine bessere Welt. Momentan sieht es ja leider schon so aus, dass in vielen europäischen Ländern der Rechtsruck immer größer wird, dass es eine Tendenz eher zum Populistischen, Rassistischen gibt. Aber irgendwie habe ich trotzdem das Gefühl, dass es noch viele Leute gibt, die nicht mit diesem ganzen Pegida-Scheiß und so einverstanden sind, aber irgendwie schlafen. Und die wollen wir mit „Ruhe vor dem Sturm“ mal wachrütteln. Weil die sind zum Glück da, und ich glaube auch, dass die anderen keine Chance haben.

Das ruhige „Zu schnell“ fällt auf dem Album ein wenig aus dem Rahmen. Worum geht es in dem Song?

Carlito: Es geht darum, manchmal, bildlich gesagt, den Stecker für sich zu ziehen. Natürlich kann man nicht aus dem gesellschaftlichen Leben hier raus, wenn man nicht unbedingt Aussteiger werden will. Trotzdem kann man seinen Moment suchen und mal wieder in sich gehen, das ist manchmal extrem wichtig. Das ist, wie alles auf dem Album, auch ein Appell an uns selbst: Mal wieder runterkommen, und sich dabei nicht immer ablenken mit dem Internet oder der Arbeit. Deswegen war dieser Song auch, obwohl es ein ruhiger, untypischer Irie-Révoltés-Song ist, für dieses Album wichtig. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, sich diese Balance im Leben zu erhalten.

Sie touren sehr ausgiebig und sind dabei immer in einer großen Besetzung unterwegs. Kommt es da auch manchmal zum Tourkoller?

Mal Élevé: Krasserweise bis jetzt noch nicht so wirklich. Bei den Festivals, spielt man eh am Wochenende und fährt danach wieder nach Hause, von daher geht man sich da sowieso nicht auf den Sack. Auf Tour sieht das Ganze anders aus, vor allem im Herbst. Wir hatten schon Touren, die waren ab Mitte Oktober verschneit wie Sau, das heißt, man ist die ganze Zeit in diesem Bus mit 14 bis 16 Leuten. Im Club hängt man dann auch meistens auch drinnen ab, also man ist sehr viel auf einem Haufen. Trotzdem hat es da eigentlich nie den Tourkoller gegeben. Es hat immer geklappt, dass jeder sein Ding so gemacht hat, dass man nicht voneinander genervt war.

Macht die Tatsache, dass Sie Brüder sind, das Zusammenleben in der Band leichter oder schwerer?

Carlito: Sowohl als auch. Es gibt natürlich Ebenen, wo wir uns schneller verstehen als andere, weil wir ja zusammen aufgewachsen sind, und auf anderen Ebenen ist es sicherlich schwerer als bei Leuten, die nur befreundet sind. Man kann sagen, das ist bei uns einfach etwas anders gelagert. Aber es läuft eigentlich ziemlich gediegen. (lacht)

Ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt, ist „Rollis für Afrika“. Worum geht es da?

Mal Élevé: In erster Linie geht es darum, in Deutschland Rollstühle und Gehhilfen zu sammeln und einmal im Jahr in Senegal mit einer befreundeten Organisation zu verteilen. Darüber hinaus liegt ein Fokus auch auf Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel einer inklusiven Gesellschaft, sowohl in Deutschland als auch in Senegal. Da kann man auch voneinander lernen. In Deutschland gibt es zwar die Gesetze, aber von ihrer Umsetzung ist man noch weit entfernt. In Senegal gibt es teilweise viel konstruktivere Konzepte als in Deutschland. Da gibt es natürlich auch krasse Beispiele, dass Familien Menschen mit Behinderung zuhause verstecken und so weiter, aber es gibt zum Beispiel viel inklusivere Kindergärten als hier.