Im siebten Pathos-Himmel: Ein Hardrock-Musical von Muse

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Im siebten Pathos-Himmel: Ein Hardrock-Musical von Muse

Auf ihrem neuen Album treiben es die Art-Rocker Muse auf die Pathos-Spitze: Eine Geschichte über enthumanisierte Menschen, dunkle Mächte und Revolution. Umgesetzt in Breitwand-Hardrock, gegen den Queen schüchtern wirken. "Drones" könnte als Musical aufgeführt werden - eigentlich ist es das schon.

„Es ist unser bisher bestes Album“, sagt Muse-Frontmann Matthew Bellamy über das siebte Album seiner Band. Für Muse ist es nach den Experimenten mit „The 2nd Law“ eine Rückkehr zu den Wurzeln – eine sehr durchdachte. Als bekennende Spotify-Verachter sind Muse dem Reiz des Konzeptalbums verfallen, was „Drones“ einen kleinen Nostalgie-Instagram-Filter übers digitale Cover legt. Der stolze Bellamy legt neuen Hörern sogar nahe, doch bitte gleich mit dem neuen Album einzusteigen. Diese Hörer sollten auf jeden Fall nicht das neue „Supermassive Blackhole“ oder „Madness“ suchen, sondern auf heftigen Art- und Prog-Rock stehen, der sich gar nicht breit genug machen kann. Auf „Drones“ lassen Muse es krachen.

Das geht schon gut los, nämlich mit einem der stärksten Songs des Albums, „Dead Inside“. Der startet mit einem Depeche-Mode-mäßigem Ausschrei als Begrüßung, der auch gut nach dem allseits bekannten „Reach Out And Touch Faith!“ kommen könnte. Der „Personal Jesus“ wird dann auch gleich noch mal aufgegriffen, im ebenso martialisch marschierenden „Psycho“, das später noch auf mindestens vier Ebenen ausbricht. Doch es wird noch wilder. Vom Western über Prog-Rock zu Musical bis Kirchenchor schaffen Muse es locker in zwei Songs. Ihre Genialität beweisen sie vor allem mit dem Eröffnungssong und dem grandiosen Tempo-Melodie-Wechsel in „The Handler“.

Düstere Story

An Text, Ideen oder Story mangelt es den überambitionierten Muse jedenfalls nicht. „Ich spreche nicht darüber, ob diese Entwicklung richtig oder falsch ist, sondern darüber, ob solche Tötungsentscheidungen mit einer solchen Distanz gefällt werden sollten, wo jede Form von Empathie aus der Gleichung genommen wird“, erklärt Bellamy die Idee hinter „Drones“. Die Story liest sich noch düsterer: Der innerlich tote Anti-Held soll dehumanisiert und als Tötungsmaschine eingesetzt werden. Auch dabei sind Roboter, Drill Sergeants, industrialisierte Menschlichkeit, Diktatoren, schwarze Mächte, Kontrolle, der Sensenmann, Traumata, Kampf, Aufbegehren, geballte Fäuste, Revolution…

In Sachen Theatralik können Muse damit sogar das Phantom der Oper beeindrucken. Die Überlegungen, dieses Album in ein Musical zu wandeln, kommen nicht von ungefähr. So viel rockgewordene Pathosschleuderei kennt man sonst eigentlich nur von Andrew Lloyd Webber, Queen – oder, klar, Muse. Leider gestaltet sich die zweite Hälfte, wie in jedem „guten“ Musical, sehr kitschig, sowohl thematisch als auch musikalisch: Der Held ruft mit einem Chor zur Revolte auf bis eine Ballade die erhitzten Gemüter wieder beruhigt (und mit dem etwas überambitionierten Ende wieder erzürnt). Und da Muse selten etwas ohne Pathos machen, muss man das mögen, um es auszuhalten. Da sollte man den Ersthörer schon mal vorwarnen.